Gefängnis für Brotzeit während des Ramadan?

Algerien: Weil christliche Bauarbeiter im Verborgenen Brotzeit hielten und damit gegen islamische Gebote verstießen, fordert die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Anscheinend hatten sie ihr sündiges Mahl noch nicht beendet, als die Polizei kam. Die beiden algerischen Bauarbeiter wurden festgenommen, weil sie im Fastenmonat Ramadan hinter einer Mauer auf der Baustelle belegte Brote gegessen und Limonade getrunken haben. An dem Tag, dem 13. August dieses Jahres, herrschte brütende Hitze, 40°, so die Anwältin der beiden angeklagten Christen. Als sichtbarer Beweis für die Anklage dienen Limonadeflaschen und Reste von Sandwiches.

Gestern hat in der kabylischen Stadt Ain El Hammam ein Strafprozess gegen die beiden begonnen und die internationale Öffentlichkeit interessiert sich dafür.

Schuld daran ist der Staatsanwalt. Der fordert nämlich bis zu drei Jahre Gefängnis als Strafe, weil die Bauarbeiter gegen Vorschriften des Islam verstoßen haben, dieses Vergehen sei im Strafgesetzbuch im Artikel 144 beschrieben. Zwar gebe es kein Gesetz, das ausdrücklich den bestraft, der sich nicht an die Fastenregeln hält, wird der Staatsanwalt von der Zeitung El-Watan zitiert, aber die beiden hätten der Religion Schaden zugefügt und die öffentliche Ordnung gestört. Seiner Meinung nach waren die essenden Männer hinter der Mauer sichtbar, was das eigentliche Vergehen sei, und es habe Personen gegeben, die dazu bereit gewesen seien, mit Gewalt einzuschreiten.

Nicht einmal vom Flugzeug aus hätte man sie sehen können, so gut habe man sich versteckt. Nur eben nicht gut genug für die Polizei, die dies von einem Fenster aus beobachtet habe, so die Aussage eines Angeklagten, der damit den Gerichtssaal laut Lokalpresse zum Lachen brachte. Von einer anderen Perspektive aus betrachtet, ist aber schnell Schluss mit den humoristischen Aspekten des Falles. Von einem "Elektroschock", der die Christen in aller Welt träfe und wieder einmal Algerien in der internationalen Öffentlichkeit mit Fanatismus und Inquisition in Verbindung bringe, spricht der Kommentar von El-Watan. Dass sich die algerische Regierung zu diesem Fall nicht äußere, sei "haarsträubend".

Kritik an dem unnachgiebigen Kurs der Staatsanwaltschaft kommt auch von der örtlichen Bevölkerung, die sich zu Hunderten vor dem Gerichtsgebäude versammelt haben soll, und Bürgerrechtsvereinigungen, die darauf aufmerksam machen, dass die beiden Bauarbeiter zu einer ganzen Reihe von Christen gehören, die jedes Jahr mit Verhaftungen, Gerichtsverhandlungen und dem Entzug von Freiheitsrechten bestraft werden, weil sie sich nicht an das muslimische Fastengebot halten. Wie die Anwälte im Prozess berufen sie sich auf die algerische Verfassung und eine UN-Vereinbarung zu Menschenrechten und Grundfreiheiten, darunter die Religionsfreiheit, die Algerien am 12. Dezember 1998 unterzeichnet hat.

Darüber hinaus weisen die Verteidiger darauf hin, dass sich die Justiz bei der Fülle von Korruptionsfällen meist sehr lax zeigt.