SPD und Union planen neue Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen

Die Regelung würde den Etablierten nützen und kleinere Parteien weiter aussperren

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Vor einem Jahr entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Fünf-Prozent-Klausel im deutschen Europawahlrecht gegen das Grundgesetz verstößt, weil die Argumente, mit denen sie im Bund und in den Ländern eingeführt wurde, in Brüssel und Straßburg nicht greifen: Die dortigen Abgeordneten wählen nämlich keine Regierung und sind mit oder ohne die deutsche Fünf-Prozent-Klausel in viele verschiedenen Gruppierungen zersplittert. Nun berichtet Wahlrecht.de, dass mehrere Landesverbände der Union und der SPD vorhaben, eine neue Drei-Prozent-Hürde im Europawahlrecht einzuführen.

Solch eine Regelung würde der CDU, der SPD und anderen etablierten Parteien nützen, weil die Sitze der durch die Hürde ausgesperrten kleineren Parteien an die größeren verteilt werden. In besonderer Weise profitieren würde die CSU: Da sie nur in Bayern antritt, muss sie dort nämlich relativ hohe Werte erreichen, um die Fünf-Prozent-Hürde ohne Direktmandate deutschlandweit zu überspringen. Aber auch die FDP, die Linke und die Piraten könnten mit der Regelung potenziell gewinnen, wenn sie bei einem Stimmenanteil zwischen drei und fünf Prozent landen.

Verlierer wären dagegen kleinere Parteien: Hätte bei der letzten Europawahl keine Fünf- und keine Drei-Prozent-Hürde gegolten, dann wären neben den Etablierten und den Piraten nämlich auch die Freien Wähler, die ÖDP, die Tierschutzpartei, die Republikaner die Rentnerpartei und die Familienpartei ins Straßburger Parlament eingezogen. Hinzu kommt, dass das Wissen um eine Sperrklausel dazu führt, dass Bürger ihre Stimme kleineren Parteien auch dann nicht geben, wenn sie eigentlich ihre "erste Wahl" wären. Weil der Entscheidungsspielraum des Europaparlaments sehr begrenzt ist, die Wahlbeteiligung traditionell niedrig liegt, und die etablierten Parteien sich in ihren Positionen zu europapolitischen Fragen noch weniger unterscheiden als sonst, war die Motivation, hier etwas Neues zu wagen, für viele Bürger in der Vergangenheit trotzdem höher als bei nationalen Wahlen.