Viele bunte Pillen

Psychopharmaka: Kinder sind eine wahre Goldmine für die amerikanische Pharmaindustrie

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Amerikanische Kinder, deren Eltern auf die Unterstützung durch das staatliche Krankenversicherungssystem Medicaid angewiesen sind, werden vier Mal so häufig "starke neuroleptische Medikamente" verschrieben wie Kindern aus Elternhäusern, die sich eine private Krankenversicherung leisten können, so ein Bericht der New York Times. Hinzu komme, dass Kinder, die von Medicaid unterstützt werden, die Medikamente mit "größerer Wahrscheinlichkeit" unter weniger akuten Bedingungen bekommen als ihre Altersgenossen aus der gutsituierten Mittelklasse.

Dass Kinder eine wahre "Goldmine" für die amerikanische Pharmaindustrie sind, vor allem wenn es um Psychopharmaka geht, zeigen auch die Zahlen und Hintergründe, die die Journalistin Evelyn Pringle zusammengetragen hat. Demnach geht es um einen gigantischen Markt, der seit Mitte der 1990er Jahre enorm gewachsen ist. Im Jahre 2008 verkauften die Hersteller von "psychiatric drugs" neuroleptische Medikamente im Wert von 14,6 Milliarden Dollar, Antidepressiva im Wert von 9,6 Milliarden Dollar, Antikonvulsiva im Wert von 11,3 Milliarden und ADHS-Medikamente im Wert von 4,8 Milliarden - Gesamtvolumen: 40, 3 Milliarden.

Bemerkenswert sei, dass die Zahl der Rezepte für Psychopharmaka, die Kindern verschrieben wurden, im Zeitraum zwischen 1996 und 2006 um 50 Prozent angestiegen ist. Das sei zwar eine Entwicklung, die auch für Erwachsene gelte (Anstieg entsprechend ausgestellter Rezepte um 73 Prozent), bei den Kindern komme jedoch noch hinzu, dass die Verschreibungspraxis laxer geworden sei, so die Autorin.

Man habe auf breiter Ebene - im Zusammenwirken von Ärzten und Pharmaunternehmen dafür gesorgt, einige Grenzen aufzuweichen, so etwa zwischen ADHS und der "bipolaren Störung" - und beim Marketing von Epilepsie-Medikamenten sei betont worden, dass sie auch zur "Stimmungs-Stabilisierung" eingesetzt werden könnten. Das Phänomen des Off-Label-Use bei den sehr teuren Medikamenten sei weitverbreitet. Die Pharmakonzerne würden jedoch Prozesse, in denen ihre Verantwortung des "zulassungsüberschreitenden Einsatzes" der Psychopharmaka verhandelt wird, wenig fürchten, so die Autorin, weil die Einnahmen in der Regel sehr viel größer sind als die durch verlorene Prozesse entstehende "Kosten".

Kritiker dieses Geschäftsmodells, das in Kindern langjährige, lukrative Kunden für teure Psychopharmaka erkennt, wie etwa die Organisation PsychRights wollen deshalb bei den zu leichtfertig verschreibenden Ärzten ansetzen. Diese könne man mit Prozessen in den Ruin treiben und ihnen damit Angst machen. Laut PsychRights geben die USA jährlich mehr als 2 Milliarden Dollar für "betrügerische Forderungen" aus, die an die Krankenkasse Medicaid gestellt werden.