Spanien-Rettung auf dem Brüsseler Weg

Während sich Ministerpräsident Rajoy angeblich sträubt, werden mit der EU-Kommission die Bedingungen schon ausgehandelt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat lange einen Rettungsantrag über die Bankenrettung mit bis zu 100 Milliarden Euro hinaus ausgeschlossen. Während er weiter so tut, als sträube er sich dagegen, werden in Brüssel längst die Konditionen ausgehandelt. Aus der EU-Kommission war schon im August durchgesickert, dass Verhandlungen laufen. Nun hat die britische Financial Times über Details berichtet. Schon nächste Woche soll das einzuhaltende Programm vorgestellt werden, ist dort zu lesen.

Das Blatt bezieht sich auf mit den Verhandlungen vertraute Quellen. Für Spanien sei Wirtschaftsminister Luis de Guindos beteiligt, der schon im Juni über die Bankenrettung verhandelt hatte. "Es ist eine Art Vorab-Programm, falls das nötig werden sollte", werden Quellen zitiert. Als Auflagen für Spanien genannt werden "strukturelle Reformen", insbesondere stehen Rentenkürzungen und eine Rentenreform an, die Rajoy stets dementiert hat. Präventiv hatte er gegen alle Versprechen schon Steuern erhöht, wie es zum Beispiel von Portugal gefordert worden war. Nach der Einkommens- und Grundsteuer im Frühjahr, wurde zum Monatsanfang auch die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent erhöht. Weitere Sparmaßnahmen sollen zunächst nicht zur Auflage gemacht werden. Spanien hat schon enorme Einschnitte vorgenommen und will mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, um das enorme Haushaltsdefizit zu senken. 2011 lag es bei 8,9 Prozent, obwohl es auf sechs Prozent hätte sinken sollen.

Brüssel hat Spanien 2012 nun ein Defizit von 6,3 Prozent erlaubt. Erst Ende 2013 soll die Stabilitätsmarke von drei Prozent wieder eingehalten werden, wurden für Spanien schon Extrawürste gebraten. Die EU-Kommission behalte sich aber vor, neue Sparanstrengungen zu fordern. Erwartet wird, dass auch die neuen Ziele verfehlt werden.

Rekord bei der Arbeitslosigkeit erwartet

So ist die Verschuldung der Regionen weiter auf 151 Milliarden Euro gestiegen. Ihr Defizit sollte 2012 nur 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts (BIP) ausmachen, doch nur 6 von 17 Regionen schaffen die Vorgabe. Das Baskenland ist das Vorbild mit einem Defizit von knapp 0,2 Prozent. Es sind, wie im Vorjahr, ausgerechnet die von Rajoys Volkspartei (PP)regierten Regionen, die wie Murcia und Extremadura die Vorgaben deutlich überschreiten. Noch schlechter sieht die Bilanz von Rajoys Zentralstaat aus. Die spanische Notenbank hat ermittelt, dass die Verschuldung im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um 16 Prozent gestiegen ist. Die Staatsverschuldung beträgt mehr als 800 Milliarden Euro und hat mit 76 Prozent einen historischen Höchststand erreicht.

Da sich auch in Spanien die Rezession verstärkt, neue Rekorde bei der Arbeitslosigkeit erwartet werden, obwohl sie schon über 25 Prozent liegt, und die Kreditausfälle einen neuen Rekordwert von fast zehn Prozent gestiegen ist, führt an einem Gang unter den Rettungsschirm nach Ansicht der Experten kein Weg vorbei. In Brüssel versucht man, Rajoy dafür den Weg zu ebnen. Um Druck vom angeschlagenen Regierungschef zu nehmen, soll das Programm schon gebilligt werden, bevor Spanien den Antrag stellt.

Hohe Zinslast

Der ist unabdingbar, damit die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Ankündigung umsetzen kann, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, um die hohen Zinsen zu senken. Die Zinslast ist längst ein riesiges Problem. Schon im Haushalt 2012 war es der zweitgrößte Posten. Es musste mehr Geld für den Schuldendienst als für alle Beschäftigten im gesamten öffentlichen Dienst ausgegeben werden. Seither sind die Zinsen aber weiter gestiegen.

Die Manöver von Rajoy, dazu angelegt, um vor den vorgezogenen Neuwahlen im Baskenland und Galizien am 21. Oktober einen Rettungsantrag zu vermeiden, haben eine neue Stilblüte hervorgebracht. Man will eine Hintertür in der Bankenrettung entdeckt haben. Demnach sollen Milliarden, die nicht für die Bankenrettung gebraucht werden, zum Aufkauf von Staatsanleihen verwendet werden können. Nächste Woche sollen Zahlen kommen. Beziffert wird der Finanzbedarf maroder Banken zwischen 50 und 80 Milliarden Euro, letztere Zahl nennt der Chef der spanischen Großbank BBVA, Francisco González.

Katalanen drohen mit eigenem Staat

Der Wahlkampf-Fahrplan für den Rettungsantrag ist durcheinander gekommen. Weil sich Rajoy den Forderungen der Katalanen verweigert, die wirtschaftlich stärkste Region mit einem Finanzierungssystem nach baskischem Vorbild zu versehen, werden auch die Wahlen in Katalonien auf Ende November oder Anfang Dezember vorgezogen. So lange kann Rajoy dem Druck kaum widerstehen, schon jetzt steigen die Zinsen wieder.

Das hat auch damit zu tun, dass die Katalanen sogar damit drohen, einen eigenen Staat auszurufen. Die Lage der unterfinanzierten Region ist prekär. Obwohl sie besonders stark zur Finanzierung und Wirtschaftskraft Spaniens beiträgt, ist Katalonien mit 42 Milliarden am höchsten verschuldet. Weil von den Steuern, die nach Madrid fließen, wenig zurückfließen, ist die Region praktisch pleite und benötigt schnell fünf Milliarden Euro, um auslaufende Anleihen refinanzieren zu können.