Ägypten: Auch die Armee foltert

Das ägyptische Militär soll am Verschwinden Hunderter von Regierungsgegnern aktiv beteiligt sein

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Von einer "neutralen" ägyptischen Armee dürfte nach dem heutigen Guardian- Bericht, der längst auf al-Jazeera weiter verbreitet wurde, nicht länger die Rede sein.

"Das ägyptische Militär hat seit Ausbruch der Massenproteste im Geheimen Hunderte und möglicherweise Tausende von Personen, die sie verdächtigt hat, Regierungsgegner zu sein, inhaftiert. Ein Teil von ihnen wurde gefoltert."

Der Bericht stützt sich auf Zeugenaussagen, die von Menschenrechtsgruppen bestätigt werden. Wieder freigekommene Gefangene berichten von lang andauernden Prügeln, Elektroschocks und anderen Brutalitäten, die ihnen von Armeemitgliedern zugefügt wurden. Aus den Aussagen der Opfer, die im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen wurden, etwa, weil bei ihnen ein Flyer für eine Demonstration gefunden wurde oder unterwegs zum Tahrirplatz waren, zeichne sich eine "organisierte Vorgehensweise zur Einschüchterung" ab (einen hintergründigen Einblick in das Räderwerk des Sicherheitsapparates, incl. Polizei und Armee liefert dieser Artikel).

Unter den Festgenommenen waren Mitglieder von Menschenrechtsgruppen, Anwälte und Journalisten, die meisten wurden wieder freigelassen. Doch wurden auch viele Menschen festgenommen, die keine Gruppe im Hintergrund haben, die auf ihre Freilassung drängt. Twitterkanäle zu den Protesten sind volll mit Suchmeldungen Vermisster. Es gibt Google Docs-Listen Vermisster, die von Aktivisten aufgestellt wurden. Nach Schätzung des Chefs der Egyptian Initiative for Personal Rights in Cairo, den die Zeitung zitiert, sind möglicherweise Hunderte oder gar Tausende in Militärgefängnissen verschwunden. Bei den Gefängnissen kann es sich, wie der Fall des Ägyptischen Museums zeige, um umfunktionierte Hinterräume handeln.

Die glaubhafte Drohung, dass es in Ägypten ein Leichtes ist, jemanden verschwinden zu lassen, gehört zu den psychischen Folterungen unter vielen anderen brutalen Methoden, die - entgegen anderslautender Beteuerungen - auch gegenwärtig noch unter der vom Westen als Garant der Stabilität favorisierten Regierung Suleiman gegenüber Häftlingen angewendet wird, wie der RFE/Rl-Korrespondent Robert Tait aus eigener Erfahrung berichtet.

Er und sein ägyptischer Helfer waren auf dem Weg zum Tahrirplatz von Polizisten angehalten worden. Sein Fahrer wurde danach gefragt, ob er Verbindungen zu Palästinensern oder zur Hamas habe, dannach wurden zu einem Gebäude gefahren. Der Journalist mit britischem Pass wurde von körperlicher Folter verschont; die Personen in seiner unmittelbaren Nähe wurden mit Elektroschocks und Prügeln gequält.

"I had 'disappeared, along with countless Egyptians, inside the bowels of the Mukhabarat, President Hosni Mubarak's vast security-intelligence apparatus and an organisation headed, until recently, by his vice-president and former intelligence chief, Omar Suleiman, the man trusted to negotiate an "orderly transition" to democratic rule.[...]
'Get the electric shocks ready. This lot are to be made to really suffer,' a guard said as a new batch of prisoners were brought in."

Er sei nach Kairo geflogen, um herauszufinden, worunter so viele Ägypter leiden, so der erfahrene Journalist, der früher für den Guardian aus Teheran und Istanbul berichtete:

"Ich hatte nicht erwartet, dass ich die Antwort auf eine solche drastische Art bekommen würde."