Schröder in der Gottes-Falle

"Sie kennt die Grundrechenarten des Glaubens nicht"

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Dreihundertundelf Gottesdefinitionen liefert das erstaunliche Hörspiel „La Chair de l'homme / Das Fleisch des Menschen“, das man im Hörspielpool des Senders Bayern 2 anhören kann. Es geht zurück auf ein Buch des Dramatikers Valère Novarina. Dass man sich nicht täusche: Das ist alles andere als langweilig, spröde oder käsfüßig, streng, borniert.

Man hört mit großem Vergnügen Definitionen zu, die versuchen, das zu fassen, was nicht zu fassen ist und elegante Drehungen machen: "Gott ist der, in dem das Nichtsein keinen Ort hat", "Gott ist eine intelligible Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgends ist". Geboten wird ist ein munteres Durcheinander von Erklärungen zu Gott. Von Rimbau ("Scheiß auf Gott"), Essenztheoretikern ("Die Göttlichkeit geht Gott voran"), Scholastikern, Abweichlern, Giordano Bruno, der die Natur in den Dingen zu Gott erklärt, bis zur Nietzsches Erklärung, dass Gott tot ist und Ansichten französischer Dandy-Dichter, die herausstellen, das "Gott das einzige Wesen ist, das um zu herrschen, nicht einmal zu existieren braucht". Wer die Diskussionen kennt, die zu dem Punkt führen, "wenn du dasoderdas jetzt nicht richtig definieren kannst, brauchen wir gar nicht mehr weiter zu reden", hat seinen Spaß an dem Gottes-Definitions-Irrwitz, den Novarina hier fliegen lässt.

Wie verhärmt und fixiert dagegen der Umgang mit "Gott" in den höheren geistlichen Schichten hierzulande und im Vatikan sein kann, davon zeugt die Reaktion des „Vatikan-Beraters und Direktors des bayerischen Wallfahrtsorts Maria Vesperbild, Prälat Wilhelm Imkamp“ auf die Familienministerin, welche die Auffassung vertritt, dass der männliche Artikel bei der Redewendung "der liebe Gott" eigentlich egal sei und man auch "das Gott" sagen könne ( Der zensierte Negerkönig und das Gott). Was für viele eigentlich egal ist und das erworbene Sprachgefühl schüttelt, ist für Prälat Wilhelm Imkamp "erschreckender religiöser Analphabetismus". Der ihn mathematisch werden lässt: "Sie kennt die Grundrechenarten des Glaubens nicht." Wer kennt die denn außer Imkamp?

Offener, was die Geschlechterfrage "Gottes" angeht, gibt sich der CSU-Politiker Beckstein, einst Ministerpräsident Bayerns, zugleich legt er bestimmte Wurzeln der Volksfrömmigkeit frei, die in anstehenden Diskussionen über die Ehe von Gleichgeschlechtlichen und das Adoptionsrecht wohl noch eine größere Rolle spielen werden:

"Theologisch hat Frau Ministerin Schröder recht: Gott steht über den Geschlechtern. Aber emotional ist das nicht meine Welt; für mich ist es wichtig, Gott als Vater zu haben. Und Jesus als seinen Sohn. Und selbst als Protestant ist mir Maria als die Mutter Gottes wichtig."