Wie groß ist die rechte Gefahr in Griechenland?

Hitlerfreunde im Parlament und auf den Straßen üben ungesühnten Terror gegen Einwanderer aus

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Mit wem man dieser Tage bei den sozialen Bewegungen und linken Parteien auch spricht, alle sind angesichts des um sich greifenden Terrors besorgt. Keine Nacht verginge, so Costas Isychos, in der nicht mindestens ein Migrant in ein Krankenhaus eingeliefert werde. Isychos ist Mitglied im Vorstand des Synaspismos, der größten Mitgliedsorganisation im Linksbündndis Syriza, das bei den letzten Wahlen beinahe zur stärksten Partei geworden wäre.

Zielpersonen des rechten Terrors sind die zuletzt angekommenen Einwanderer aus Nordafrika und Pakistan, erzählt Heike Schrader, die für deutschsprachige Zeitungen aus der griechischen Hauptstadt schreibt. Ein halbes Dutzend Tote habe es bei Überfällen rechter Schlägertrupps in den letzten Jahren gegeben. Lange nicht alle Überfälle werden bekannt, weil die Terrortrupps sich die schwächsten als Opfer aussuchen, Menschen ohne Papiere, die als Flüchtlinge in Griechenland hängen geblieben sind und sich oft nicht trauten, in die Krankenhäuser zu gehen.

Die maßgeblich unter anderem von Deutschland durchgesetzte sogenannte Dublin-II-Verordnung zwingt jeden, der in einem der Mitgliedsstaaten – im Wesentlichen die EU plus Norwegen und die Schweiz - Schutz vor politischer Verfolgung sucht, für die Dauer des Asylverfahrens im jenen Land zu bleiben, in dem zuerst Asyl beantragt wurde. Da aber eine Einreise ohne Visa bestenfalls dann möglich ist, wenn sofort an der Grenze formal ein Asylbegehren ausgesprochen wird, bleiben die meisten Flüchtlinge an der europäischen Peripherie hängen, im Augenblick vor allem in Griechenland, da andernorts das Abwehr-Netz der EU-Grenzschutzagentur Frontex kaum noch jemanden durchkommen lässt und bereits tausende Todesopfer gefordert hat.

Wer es nach Griechenland schafft, landet auf der Straße. Die Behörde, die für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist, öffnet nur einmal die Woche, materielle Unterstützung gibt es ebenso wenig wie eine Unterkunft. Die Menschen werden zu sogenannten Illegalen und versuchen sich mit Straßenhandel durchzuschlagen.

Dort werden sie seit die Krise immer mehr um sich greift zum Opfer von Schlägerbanden. Offensichtlich würden Schläger regelrecht angeheuert, sagte der Rechtsanwalt Harry Ladis gegenüber Telepolis. Die Partei "Goldenen Morgendämmerung" (Chrysi Avgi), die sich in Rhetorik, Symbolik und Ideologie ganz offen beim deutschen Faschismus bedient, habe im Vorfeld der Wahlen auf einmal ungewöhnlich viel Geld gehabt. Natürlich bestreitet diese, mit dem rechten Terror etwas zu tun zu haben, aber der Zusammenhang ist offensichtlich, wie diverse Gesprächspartner bestätigen.

Bei allen ist die Besorgnis über die Entwicklung zu spüren. Der Aufstieg der militanten Hitler-Verehrer ist geradezu kometenhaft. Bisher hatten sie bei nationalen Wahlen stets unter einem Prozent der Wählerstimmen gelegen, aber am 6. Mai 2012 erzielten sie 6,97 und sechs Wochen später 6,92 Prozent der Stimmen. Jüngste Meinungsumfragen sehen sie sogar bei 13 bis 14 Prozent.

Bei manchem Beobachter überwiegt noch das Erschrecken, andere, wie Christos Giovanopoulos, der prekär Beschäftigte organisiert, versuchen es vor allem dialektisch zu sehen: Man dürfe sich nicht zu sehr auf den rassistischen Diskurs der "Goldenen Morgendämmerung" (Chrysi Avgi) einlassen, weil dieser sonst die kulturelle Hegemonie übernehme. Statt dessen müsse man immer wieder die Betonung auf den Kampf gegen die Sparpakete legen.

Aber die Gefahr sieht auch Giovanopoulos und wird da sicherlich nicht Costas Isychos widersprechen wollen, der davor warnt, dass sich der Faschismus in Europa ausbreiten könne. Auch deshalb wünscht sich Isychos mehr Solidarität von der Europäischen Linkspartei. Diese müsse lauter und mutiger sprechen. So wie die Verarmung der Bevölkerung mittels Sozialabbau und Lohnkürzungen auch auf andere Länder übergreifen wird, so könne dies auch mit dem rechten Terror geschehen. Man dürfe nicht die Fehler der 1930er Jahre wiederholen, als eine uneinige Linke die Gefahr zunächst unterschätzt hatte.

Die faschistische Gewalt werde in Griechenland vom Establishment akzeptiert, die Medien würden sie verharmlosen sie und ihre soziale Demagogie transportieren, so Ischos. Chrysi Avgi setze die Mittel, die sie nun durch ihre Parlamentsfraktion hat, geschickt ein, meint Givanopoulos. Für die Fernsehkameras werden hier und da Lebensmittelspenden verteilt, die den Menschen kaum dauerhaft helfen. Über die vielen kontinuierlichen Hilfsprojekte von Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen werde hingegen so gut wie gar nicht berichtet.

Ihre eifrigsten Anhänger haben die Rechtsextremen unter den Polizisten. Fast die Hälfte von ihnen soll bei den letzten Wahlen für die Neonazi-Partei gestimmt haben. So wundert es denn auch nicht, dass die Schläger mit Samthandschuhen angefasst werden. Keiner von ihnen sei bisher auch nur festgenommen worden. Die Polizei erscheine grundsätzlich zu spät, wenn mal wieder Einwanderer zusammengeschlagen werden, meint Isychos. Zur Zeit gehe es vor allem gegen diese, aber die Nazis machten keinen Hehl daraus, dass sie ihren Terror auch auf andere Gruppen ausdehnen wollen. Alle Gesprächspartner in Athen gehen davon aus, dass schon bald Linke und Gewerkschafter zur Zielscheibe werden könnten, jene, die den heftigsten Widerstand gegen Lohnkürzungen und Ausverkauf des Staatsvermögens leisten.