Hochfrequenz-Handel lässt Märkte durchdrehen

High-Frequency-Trading verursachte im US-Aktienhandel in fünf Jahren 18.520 unbemerkte Mini-Crashes und Kursexplosionen

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Wie beispielsweise bei Küstenlinien gibt es auch bei den Aktienkursen eine starke Selbstähnlichkeit in unterschiedlichen Zeithorizonten. Ein siebenköpfiges Forscherteam hat nun festgestellt ( "Financial black swans driven by ultrafast machine ecology", dass dies für die Kurs-Charts des US-Aktienhandels nicht mehr gilt, sobald der Zeithorizont eine Sekunde unterschreitet.

Dieser Bereich, der dem menschlichen Reaktionsvermögen nicht mehr zugänglich ist, ist die Domäne des maschinellen Hochfrequenzhandels, auf den mittlerweile bis zu 70 Prozent des US-Aktienhandels entfallen soll. Für ihre Studie haben die Forscher die Kursbewegungen von US-Aktien in den Jahren 2006 bis 2011 analysiert und dabei 18.520 Episoden gefunden, die sie als finanzielle "Black Swan"-Ereignisse betrachten, also als Kursbewegungen, die so ungewöhnlich sind, dass sie eigentlich so selten auftreten sollten wie schwarze Schwäne. Als solche qualifizierten sich Episoden, bei denen mindestens zehn Up-Ticks bzw. Down-Ticks hintereinander erfolgten, also bei einem Titel zehn aufeinanderfolgende Trades jeweils gestiegen bzw. gefallen sind. Das war im Schnitt also mehr als täglich der Fall und könne daher kaum mehr als Black Swan zu bezeichnen sein, wie die Forscher feststellen.

In diesen Zeiträumen spielen sich dann enorme Kursausschläge ab, die dann vermutlich auch bei menschlichen Akteuren für Überraschungen gesorgt haben, wenn ihre Stop-Loss-Orders überraschend ausgeführt wurden, obwohl die veröffentlichten Börsenkurse meilenweit von den festgelegten Limits entfernt waren.

Den "Bruch der Fraktale", wie sie das Ende der Selbstähnlichkeit in den ultrakurzen Zeiträumen bezeichnen, erklären sich die Forscher mit der größeren Homogenität der Strategien der automatischen Handelsprogramme gegenüber jenen der menschlichen Trader. Da die vielen Algorithmen in nur einige wenige Strategien münden, bestehe die Gefahr systemweiten Herdenverhaltens, wie es anscheinend auch beim Flash-Crash vom 6. Mai 2010 zutage trat, durch den die Risiken des Hochfreqzenzhandels erstmals schlagend wurden.

Allerdings waren diese Phänomene so schnell vorbei, dass sie von kaum jemandem bemerkt wurden, wobei die Crashes im Schnitt weniger als 650 Millisekunden dauerten (1000 Millisekunden = 1 Sekunde), während die Kursausreißer nach oben in der Regel nach 950 Millisekunden beendet waren.

Dabei waren die zehn Aktien mit den meisten Black Swans übrigens ausgerechnet die großen Banken, die führende Rollen während der Finanzkrise von 2008/2009 gespielt haben, allen voran Morgan Stanley, Goldman Sachs und Wells Fargo. Für die Forscher drängt sich hier eine Analogie zu Haarrissen in einem Flugzeugrumpf auf, die sich unbemerkt aufbauen, bis es später zu einem schweren Bruch kommt.

Während die Forscher für menschliche Trader eine minimale Reaktionszeit von 650 Millisekunden annehmen, spielen sich die meisten Events in den kürzesten Zeiträumen ab. So waren zehnmal so viele Events nach 250 Millisekunden vorbei wie nach 650 Millisekunden.