Attacke auf das Zitatrecht

Nach ihrem Briefmarkensieg über Wikipedia klagt eine Loriot-Erbin gegen eine Biografie Vicco von Bülows

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In den letzten Jahrzehnten bewiesen unter anderem Erben von Orson Welles, James Joyce und Karl Valentin auf sehr eindrucksvolle Weise, wie problematisch es ist, Urheberrechte bis 70 Jahre nach dem Tod eines Autors andauern zu lassen. Nun scheint eine Erbin des im letzten Jahr verstorbenen Fernsehkomikers und Karikaturisten Vicco von Bülow auf dem besten Wege, sich einen Platz in dieser Reihe zu sichern.

Erst erregte sie dadurch Aufmerksamkeit, dass sie das Landgericht Berlin dazu brachte, die bisherige Rechtsprechung zur Abbildungsfreiheit von Briefmarken im Rahmen einer Klage gegen die Online-Enzyklopädie zu ändern – und jetzt wurde bekannt, dass sie vor dem Landgericht Braunschweig gegen eine beim Münchner Riva-Verlag erschienene Biografie des unter seinem Künstlernamen "Loriot" bekannt gewordenen Erblassers klagt.

Der Grund dafür liegt nicht – wie in solchen Fällen üblich – in einer kritischen Darstellung der eigenen Person oder Dritter, sondern in Zitaten des Verstorbenen, die die Erbin und ihre Anwältin Christine Danziger in der 111 Seiten dicken Klageschrift als Urheberrechtsverletzungen darstellen. Der Autor Dieter Lobenbrett hat ihrer Ansicht nach nämlich nicht nur zu viele davon verwendet, sondern sich in seinem eigenen Textanteil nicht ausreichend damit auseinandergesetzt.

Weil sich die Erbin und ihre Anwältin nicht auf ein außergerichtliches Vergleichsangebot einlassen wollten, glaubt man beim Riva-Verlag, dass es den beiden um ein Musterurteil geht, mit dem Monopolrechtsansprüche ausgedehnt und das Zitatrecht eingeschränkt werden sollen. Würden die Zitate, die lediglich acht Prozent des Buchinhalts ausmachten und korrekt gekennzeichnet seien, vom Landgericht Braunschweig als Immaterialgüterrechtsverletzungen gewertet, dann könnte das nach Ansicht einer Riva-Sprecherin nicht nur zu erheblich mehr Rechtsunsicherheit für Biografen, sondern auch für Journalisten und Wissenschaftler führen.