Laufzeitverlängerung beschlossen

Regierungsmehrheit beschließt Änderungen am Atomgesetz. Künftig wieder Enteignungen möglich. Gegner kündigen weitere Proteste an

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Langweilig war es bestimmt nicht an diesem Donnerstag im Bundestag. Opposition und Regierungsfraktionen betitelten sich mit allerlei Nettigkeiten, aber angesichts des hochgradig aufgeladenen Themas war das nicht anders zu erwarten. Für manchen Journalisten natürlich die willkommene Gelegenheit, sich an Formfragen und Äußerlichkeiten aufzuhalten, statt sich mit dem Kern des Themas zu beschäftigen.

Zur Abstimmung stand unter anderem das Elfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, mit dem neue Reststrommengen für die Atomkraftwerke beschlossen wurden. Erwartungsgemäß stimmte die große Mehrheit der Unions- und FDP-Abgeordneten für den Entwurf der Bundesregierung. Entschließungsanträge der Linken und der Grünen, in denen unter anderem die sofortige Stilllegung der sieben ältesten AKW sowie des Pannenmeilers Krümmel gefordert wurden, waren hingegen chancenlos.

Bei genauerem Hinsehen zeigten sich allerdings auch ein paar Risse im Lager der Koalition. Von ihren 332 Parlamentariern stimmten nur 308 für die Laufzeitverlängerung. In Probeabstimmungen in der Unionsfraktion hatte sich gezeigt, dass fünf Abgeordnete gegen den Entwurf ihrer Regierung stimmen würden. Andere haben sich offensichtlich enthalten oder sind der Abstimmung fern geblieben. Die Opposition agierte hingegen weitgehend geschlossen. 289 Stimmen wurden gegen die Laufzeitverlängerung abgegeben; SPD, Grüne und Linkspartei haben zusammen 290 Sitze.

Angenommen wurde auch eine Reihe weiterer Gesetze, die mit der Laufzeitverlängerung und dem Energiekonzept der Bundesregierung in Zusammenhang stehen. Auf der Internetseite des Bundestages sind sie kurz zusammengefasst und verlinkt. Unter anderem wird es künftig wieder möglich sein, für die Einlagerung von Atommüll Enteignungen vorzunehmen. Offen ist allerdings noch, was von diesen neuen Gesetzen Bestand haben wird, denn wie berichtet, wird es von den Oppositionsparteien und verschiedenen Bundesländern gleich mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geben.

Und auch die außerparlamentarische Opposition wird bestimmt nicht so schnell nachgeben. Am Donnerstagvormittag demonstrierten im Berliner Regierungsviertel nach Angaben der Veranstalter rund 2.000 Menschen gegen die neuen Atomgesetze. Die nächste Runde der Auseinandersetzungen wird es schon Anfang November geben, wenn im niedersächsischen Wendland ein Atommülltransport aus Frankreich erwartet wird. Für die Auftaktkundgebung der Proteste am 6. November in Dannenberg rechnen die Organisatoren mit mehreren 10.000 Teilnehmern.

Die Kampagne Castor Schottern, die sich an den Protesten beteiligt, rechnet damit, dass der Bundestagsbeschluss noch mehr Menschen auf die Straße treiben wird. "Die Laufzeitverlängerung ist eine reine Lobbyentscheidung im Interesse der vier großen Stromkonzerne. Wie schon bei Stuttgart 21 setzt sich damit eine skandalöse Basta-Politik fort, die taub ist für den Willen der Bevölkerungsmehrheit", meint Mischa Aschmoneit, einer der Kampagnen-Sprecher. "Die Empörung vieler Menschen über die heutige Entscheidung wird der Mobilisierung zu den Protesten und Aktionen gegen den Castortransport zusätzlichen Schwung verleihen."

Derweil haben die wendländische Bürgerintiative Lüchow-Dannenberg, die seit drei Jahrzehnten eines der wesentlichen Sprachrohre gegen End- und Zwischenlager in Gorleben ist, sowie die Gewerkschaft der Polizei Geschichte geschrieben. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sie sich gegen das Herbeireden von Gewalt aus und riefen beide Seiten auf, bei den bevorstehenden Protesten stets die Ruhe zu bewahren. Sprecher der Kampagne Castor Schottern erklärten dazu, dass sie sich solche Stellungnahmen nicht nur von der Gewerkschaft, sondern auch von der Polizeiführung wünschten. Man habe seinerseits keineswegs vor, Gewalt anzuwenden, und werde gegebenen Falls auch auf Polizeigewalt nicht mit Gewalt antworten.