Auch unter dem letzten Hemd findet sich noch etwas

Britische Chirurgen fordern eine neue Debatte zur Legalisierung des Organhandels

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Es sei an der Zeit, das Thema "Legalisierung des Organhandels" neu zu debattieren. Die Moral würde es gebieten. Der neue Anstoß zur Debatte, die seit Jahren geführt wird (vgl. Der Handel mit menschlichen Ersatzteilen) und immer wieder die Aufmerksamkeit einer größeren Öffentlichkeit sucht (vgl. Börsenhandel mit Organen?), kommt diesmal von namhaften britischen Chirurgen. Ihre Argumente, die die Zeitung Independent zitiert, sind auch nicht neu.

In Großbritannien, wie in der EU - und natürlich auch in Deutschland - ist der Organhandel verboten. Demgegenüber steht ein enormer Schwarzhandel und der sogenannte "Organtourismus", der von einer enormen Nachfrage profitiert, die auf legalem Weg nicht befriedigt werden kann. Seit 30 Jahren habe man damit ein großes Problem, so John Harris, ein Moralphilosoph, der sich in die Debatte mischt. Da Tausende von Menschen wegen des Mangels an zur Verfügung stehenden Organen stürben, sei es moralisch zwingend, darüber neu nachzudenken. In Großbritannien stehen laut Zeitungsbericht 8.000 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende, mehr als 500 würden jährlich sterben, diese Zahl würde jährlich um 8 Prozent wachsen.

Mit der Legalisierung würde dem Schwarzmarkt der Boden entzogen - und, so das Argument des Chirurgen Nadey Hakim, sie könne verhindern, dass "Organ-Touristen" unter schlechten Bedingungen operiert würden, was nicht selten zu teuren Nachfolgeoperationen führt. Die staatliche Gesundheitsinstitution, das NHS, sollte strenge Regeln erlassen, etwa keine Importe, und für die Verteilung der Organe zuständig sein, die Zustimmung für den Verkauf eines Organes sollte streng gefasst und kontrolliert werden - ein Punkt, der das Riesenproblem des Organhandels anspricht: der Druck, der auf Spender ausgeübt werden kann. Ob vollständige Aufklärung, die sich die Befürworter des legalen Organhandels von einer öffentlichen Diskussion versprechen, etwas am grundlegenden Dilemma ändern würde?

Wie reagieren Personen, die Geld sehr nötig haben, auf den Druck? Wie wäre Druck aus diesem heiklen Handel überhaupt rauszunehmen? Für Gegner jeglichen Organhandels ist das Geschäft mit menschlichen Körperteilen mit untragbaren Risiken verbunden, auch wenn es legalisiert würde: "die am meisten benachteiligten Menschen würden in Situationen kommen, in denen sie Teile ihres Körpers verkaufen, wahrscheinlich unter Absehung der Risiken, die damit verbunden sind", wird ein Professor für medizinische Ethik an der University of Edinburgh zitiert.

In Deutschland hatte vor vier Jahren der Bayreuther Professor Peter Oberender damit argumentiert, dass es für den legalen Organhandel spreche, wenn sich Arme mit dem Verkauf eines ihrer Organe aus existentiellen Nöten befreien können (siehe dazu Organspendepflicht für ALGII-Empfänger):

"Es ist doch folgende Situation: Wenn jemand existenziell bedroht ist, weil er nicht genug Geld hat, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren, so muss er meiner Meinung nach die Möglichkeit haben, durch den Verkauf von Organen - und zwar geregelten Verkauf - ähnlich der Börse, dass man sagt, wer ist zugelassen zu dem Handeln. Es muss auch geprüft werden, wer darf das Organ entnehmen. Und dann wird praktisch das Organ versteigert."