Fall Mollath: Appell an die Menschlichkeit verhallt

Bayreuter Landgericht will Stellungnahme eines weiteren Gutachters – Verteidigung kündigt Beschwerde an

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Der Fall Mollath spitzt sich zu: In einer Pressemitteilung kündigte das Landgericht Bayreuth an, dass zur Überprüfung der Unterbringung von Mollath eine weitere Stellungnahme von einem Gutachter hinzugezogen werden soll. Dabei handelt es sich um Friedemann Pfäfflin, der bei Mollath bereits zuvor eine wahnhafte Störung festgestellt haben wollte. Für Mollath bedeutet die Entscheidung des Gerichts, dass er zunächst weiterhin in der forensischen Psychiatrie in Bayreuth bleiben muss.

Die beiden Anwälte von Mollath, Erika Lorenz Löblein und Gerhard Strate, zeigen sich über das Verhalten des Gerichts empört. Sie reagierten prompt mit einer eigenen Pressemitteilung. Insbesondere die Tatsache, dass das Bayreuther Landgericht dem Gutachter eine zweifelhafte Ausgangssituation zu seiner Stellungnahme vorgibt, stößt auf Unverständnis bei den beiden Verteidigern. In der Presseerklärung des Landgerichts heißt es: "Die Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige haben dabei weiterhin davon auszugehen, dass der Untergebrachte die Taten, wegen derer das Landgericht Nürnberg-Fürth am 08.08.2006 rechtskräftig die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat, begangen hat."

Lorenz-Löblein und Strate verweisen in ihrer Presseerklärung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts in Sachsen-Anhalt vom Oktober 2012, wonach bei "der Beauftragung eines externen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens...die Strafvollstreckungskammer eine ergebnisoffene Begutachtung sicherzustellen" habe. "Dem widerspricht die Bezugnahme auf eine als vorhanden vorausgesetzte psychische Erkrankung des Untergebrachten im Gutachtenauftrag."

Für die Verteidiger steht fest, dass sich das Landgericht "von dem im Strafvollstreckungsverfahren geltenden Maßstäbe der Sachverhaltsaufklärung" weit entferne. Das Landgericht trete den neuen Erkenntnissen in der Causa Mollath, wie sie in dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg dargelegt wurden, mit "verschlossenen Augen" entgegen. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer diene eben gerade nicht der Aufklärung, sondern vielmehr "perpetuiert er das Gust Mollath zugefügte Unrecht", sagen die beiden Verteidger.

Erika Lorenz-Löblein kritisierte gegenüber Telepolis die Vorgehensweise des Gerichts. Erst vor kurzem habe sie an das Gericht appelliert, die Menschlichkeit bei ihrer Entscheidung nicht aus dem Auge zu verlieren. Das Gericht habe den Beschluss, eine weitere Stellungnahme einzufordern, bereits am Freitag getroffen, doch sei die Verteidigerin erst heute darüber informiert worden. Für ihren Mandanten sei es unerträglich, dass er so lange über die weitere Vorgehensweise des Gerichts im Unklaren gelassen werde. "Das Verhalten des Gerichts zeigt, dass das Gebot des Anstandes eines vernünftigen Miteinander unbeachtet bleibt", sagte Lorenz-Löblein. Die Anwältin sieht in dem Verhalten des Gerichts den "krampfhaften Versuch, noch einen Weg zu finden, um eine Gefährlichkeit prognostizieren zu können. … Was wäre, wenn ich zu einem Gutachter sagen würde, unterstellen Sie mal, Herr x ist ein Mörder und dann stellen Sie fest, ob er weiterhin mordet. Würde das Gutachten dann eine relevante Aussage über diese Person enthalten?", sagte Lorenz-Löblein.

Der Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, Thomas Goger, sagte gegenüber Telepolis, dass die Strafvollstreckungskammer und der Gutachter das rechtskräftige Urteil halten müssten und dass die Wiederaufnahmeanträge alleine schon von Gesetzes wegen nicht berücksichtigt werden dürften. "Die Wiederaufnahmeanträge sind, wie der Name schon sagt, nur Anträge, über die ein Gericht noch nicht entschieden hat." Auf die Frage, ob dem Gutachter eine Frist zur Stellungsnahme gesetzt worden sei, sagte Goger, dass er das nicht wisse. Er könne dazu auch keine Auskunft erteilen, da das Verfahren nichtöffentlich sei. Rechtsanwalt Gerhard Strate sagte, die neuen Tatsachen, die in den Wiederaufnahmeanträgen niedergeschrieben wurden, seien so gewichtig, dass die Strafvollstreckungskammer in Bayreuth gar nicht umhin komme, diese zu berücksichtigen. Strate sagte, die Verteidigung behalte sich vor, eine Beschwerde gegen den Beschluß einzulegen. Das Landgericht teilte in seiner Pressemitteilung außerdem mit, dass die Strafvollstreckungskammer die Beiordnung Lorenz-Löblein als Pflichtverteidigerin zurückgenommen habe. In der Pressemitteilung der beiden Verteidiger heißt es, dass Lorenz-Löblein nun neben Strate ebenfalls als Wahlverteidigerin ihrem Mandanten beistehen wird.