Philippinen: Morde an Gewerkschaftern

Die Wirtschaft boomt, aber wer für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpft, muss mitunter um sein Leben fürchten

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Die Rating Agentur Moodys hat kürzlich die Bewertung der Philippinen heraufgesetzt, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die rund 92-Millionen-köpfige Inselnation sei die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Südostasiens. Für die ehemalige US-Kolonie hört sich das nach guten Nachrichten an. Sorgte doch bisher die schon in den 1960er Jahren weitgehende vollzogene Öffnung für Importe aus Nordamerika dafür, dass die heimische Industrie notorisch schwindsüchtig blieb und sich aus einer subordinierten Rolle als Zulieferer und Niedriglohn-Produzent nicht befreien konnte.

Entsprechend skeptisch reagierte denn auch das der Linken verbundene wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut IBON auf die Neuigkeiten von jenseits des Pazifiks. "Die jüngste Heraufstufung der Philippinen spiegelt nicht die reale Situation der Wirtschaft des Landes wieder", heißt es dort. Armut sei unvermindert weit verbreitet und die Arbeitslosenraten nach wie vor hoch. Auf real knapp 11 Prozent schätzt IBON sie. Die Zahl der Lohn- und Gehaltsempfänger habe in den letzten Jahren ab- und jene der unbezahlt in Familienunternehmen Mitarbeitenden zugenommen.

Gleichzeitig ist die Unterdrückung von Kritik, insbesondere die von Gewerkschaftern, nach wie vor weit verbreitet. Die internationale Internetplattform libcom.org schreibt von zehn Gewerkschaftern, die in den letzten Jahren ermordet wurden. Jüngstes Beispiel ist der Fall Antonio "Dodong" Petalcorin, Präsident der Verkehrsgewerkschaft NETO, der am 2. Juli erschossen wurde, als er sein Haus verließ. Petalcorin hatte sich an einer Korruptionsanzeige gegen einen lokalen Politiker beteiligt. Seine politischen Freunde nehmen an, dass dies das Mordmotiv gewesen sein könnte.

Ungewiss ist indes das Schicksal eines anderen Gewerkschaftsfunktionärs. Seit über einem Monat wird er in der südlich an den Großraum Manila angrenzenden Provinz Laguna Benjamen Villeno vermisst. Beim örtlichen Gewerkschaftsverband Panamtik-KMU geht man davon aus, dass er vom Militär oder Geheimdienst entführt wurde. Seit Wochen suchen sie in den Einrichtungen des Militärs im Großraum Manila nach dem ehemaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft der Honda-Arbeiter LMBK.

Nach einem Bericht der philippinischen Zeitung Inquire war Villeno auf dem Weg zu Verwandten in einer anderen Stadt. Von unterwegs aus habe er einem Freund eine SMS geschrieben, dass er verfolgt werde. Das war am 27. August. Seit diesem Tag habe man von ihm nichts mehr gehört. Bei seiner Familie sei der Gesuchte nie angekommen. Villeno hatte in den 1990er Jahren bei Honda in der Provinz Laguna südöstlich von Manila gearbeitet und war dort von 1998 bis 2000 Gewerkschaftsvorsitzender. Danach war er in führender Position in anderen Gewerkschaften tätig und beteiligte sich seit 2010 am linken Bündnis Makabayan.

"Benjamen Villeno ist ein bekannter Gewerkschaftsführer und wurde in den letzten Jahren immer wieder überwacht und eingeschüchtert", meint Glen Malabanan von der Menschenrechtsorganisation Karapatan. In der Region sei dies bereits der dritte Fall seit dem Amtsantritt des Präsidenten Benigno Simeon Aquinos 2010, dass ein Gewerkschafter von Militär oder Geheimdienst entführt wurde und nicht mehr lebend auftauchte, heißt es bei Panamatik-KMU.