BKA, BDK, Lügen und Onlinedurchsuchungen

Außer Kontrolle

Das Heulen und Wehklagen um das "verwässerte" BKA-Gesetz nimmt zu. Und die Widersprüche werden deutlicher.

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Ach ja - die Onlinedurchsuchung zum x-ten. Kaum im BKA-Gesetz verankert, zeigen sich der Bundesinnenminister und der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) enttäuscht davon, dass das Gesetz so verwässert wurde. Bernd Carstensen vom BDK beispielsweise sieht die Handlungsfähigkeit des BKA dadurch gefährdet, dass es keine Eilfallregelung mehr für die Onlinedurchsuchung gibt, somit also immer ein Richter diese Maßnahme absegnen muss.

"Man kann gesetzliche Hürden auch so hoch legen, dass sie von keinem Ermittler mehr genommen werden können" klagt Herr Carstensen und sieht auch ein Problem darin, dass zwar festgelegt wurde, dass ein Richter die OD absegnen muss, aber nicht geklärt ist, dass es insofern auch neue Richterstellen geben muss. Denn rund um die Uhr stünden ja keine Richter bereit.

Zwar wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Zeitalter von Email, Mobilfunk etc. durchaus Richter rund um die Uhr zur Verfügung stehen, aber lassen wir das.

Was einem momentan eigentlich durch den Kopf gehen muss: Sprechen sich eigentlich BDK und BKA nie ab, wenn es um Argumentationen geht? Und was ist mit Herrn Ziercke und Herrn Schäuble? Können die sich denn nie darauf einigen, wieso eigentlich eine OD so wichtig ist?

Bleiben wir mal bei dem, was die OD eigentlich bewirken soll. Man "muss auf den Rechner eines Terroristen gelangen"(so jedenfalls Herr Ziercke und Co.), so dieser zu clever für eine "normale Überwachung ist". Nehmen wir also an, Bombenbauer B-B-B-Bernhard verschlüsselt, was das Zeug hält, nutzt VPN, SSH, Truecrypt, seine höchst geheimen Daten sind verschlüsselt auf dem USB-Stick, den er stets bei sich trägt. Nun möchte Strafverfolger Stefan aber gerne mal an die Daten heran, möchte also letztendlich eine (wie auch immer bewerkstelligte) OD durchführen. Wo ist da der Eilfall? Stefan Strafverfolger hat doch den Verdächtigen schon im Blick, die Wundersoftware muss ja auch entwickelt oder angepasst werden - wieso also muss plötzlich der Richter 24/7 verfügbar sein, wenn doch die OD als Ultima Ratio dient, wie Herr Ziercke versichert?

Und - wenn es doch pro Jahr nur 10, maximal 15 OD geben soll, wieso sind dann plötzlich mehr Richter für all die OD notwendig? Warum wird das BKA quasi handlungsunfähig, nur weil die Anwendung einer eigens für den Sonderfall konzipierten Software nicht im Eilfall ohne Richterbeschluss stattfinden kann? Vielleicht doch, weil, wie Herr Ziercke ja schon betonte, die Quantität bei der OD keine Rolle spielen darf?

Sorry, Herr Bundesinnenminister, Herr Carstensen und Herr Ziercke, aber entweder Sie wissen eigentlich selbst nicht mehr, was Sie eigentlich durch die OD bewerkstelligen wollen... oder Sie wissen es nur zu genau. Entweder Sie wissen also nicht mehr, was Sie tun, oder aber Sie lügen dreist.

Aber wenn das BKA durch die Tatsache, dass eine derart heikle Idee wie die OD nur mit richterlicher Anordnung angewandt werden darf, in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist, dann fällt es immer schwerer, überhaupt noch zu glauben, dass es hier um eine Ausnahmeregelung, um die ultima ratio geht. Und um 8,10,15 oder 20 Anwendungen. Denn diese, mittels einer speziell hergestellten Software (deren Programmierung auch Zeit benötigt) durchgeführten, OD (so jemals möglich) dürften wohl kaum an nicht verfügbaren Richtern scheitern.

Sehr geehrte Herren, bei all diesem (pardon) sich dauernd selbst widersprechenden Gefasel rund um eine Supersoftware wird immer klarer, was hier eigentlich abläuft: Ihr wollt nicht ausnahmsweise, sondern möglichst oft Zugriff auf fremde Rechner erhalten. Und dabei sind Euch rechtstaatliche Ideen wie ein Richtervorbehalt eine "Hürde", die es zu nehmen gilt. Ihr wollt schlicht und ergreifend möglichst nach euren eigenen Regeln und ohne Kontrolle agieren, wollt von der heimlichen OD zur heimlichen Hausdurchsuchung kommen, ohne dass hier noch ein Richter "dazwischenfunkt". Und wenn dazu Polizei und Geheimdienste verflochten werden (egal wie viele schlechte Erfahrungen gerade die beiden Teile Deutschlands mit einem außer Kontrolle geratenen, gierig Daten sammelnden Apparat bereits gemacht haben), dann ist das für Euch kein Hindernis. Ganz im Gegenteil. Und genau deshalb ist es auch kein Wunder, dass Begriffe wie "Stasi 2.0" so empören. Getroffene Hunde bellen eben sehr laut.