Spanischer Ministerpräsident in Schmiergeldaffäre belastet

Die Schwarzgeldaffäre in der spanischen Regierungspartei spitzt sich zu, Rajoy wird nun direkt belastet

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Die Generalsekretärin der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) wollte in die Offensive kommen. María Dolores de Cospedal, die Nummer in der PP hinter Ministerpräsident Mariano Rajoy, verklagte vor einem Zivilgericht in Toledo den ehemaligen PP-Schatzmeister Luis Bárcenas, um ihre Ehre zu retten. Doch ihr Vorstoß wurde am Freitag zum Bumerang in der großen Schmiergeldaffäre für die Regierung. In dem Prozess vor dem Gericht der zentralspanischen Stadt wurden erstmals öffentlich die dubiosen Vorgänge in der PP erörtert. Bárcenas drehte den Spieß um und nutzte die Bühne, um Cospedal und Rajoy anzuklagen. Wegen dessen Aussagen forderte am Wochenende nun die Opposition eine Anklage gegen Rajoy. Denn auch er soll Bargeldumschläge als "Zusatzlohn" erhalten haben.

Bárcenas beherrschte die Verhandlung, obwohl er nur per Videokonferenz einem Gefängnis in der Nähe der Hauptstadt zugeschaltet war. In Soto de Real, gut 40 Kilometer nördlich von Madrid, sitzt er seit Juni wegen Steuerbetrugs, Bestechung und Geldwäsche in Untersuchungshaft. Sukzessive waren Schwarzgeldkonten in der Schweiz aufgeflogen, wo er über 48 Millionen Euro verfügte. Vom Bildschirm aus schilderte er mit vielen Details, dass auch die Generalsekretärin "aus seiner Hand" Schwarzgelder in Bargeldumschlägen erhalten habe. "Die erste Übergabe fand in ihrem Büro im siebten Stock in der Genua-Straße statt", wo die PP ihren Sitz in Madrid hat. Den zweiten Umschlag habe er ihr in ihrem Senatsbüro übergeben. Am 7. Juli und am 14. Oktober 2008 seien dabei jeweils 7.500 Euro in 500er Scheinen geflossen, fügte er an.

Eine nervöse Cospedal wies im Gericht alle Vorwürfe zurück. "Ich habe weder die in den Aufzeichnungen genannten Summen noch andere erhalten, die der Angeklagte erwähnt." Es seien "Falschaussagen", und das sei auch beweisbar. Doch Beweise legte sie dem Gericht in der Region Kastilien-La Mancha nicht vor, deren Präsidentin sie gleichzeitig ist. Sie gab mit ihren allgemeinen Aussagen eine schlechte Figur beim Versuch ab, ihre Ehrenrechte zu verteidigen. Dass sie beim Verlassen des Gerichts stolperte und gegen einen Baum stürzte, stand bildlich für den gesamten Vorgang.

Bárcenas bestätigte souverän nun öffentlich, dass die parallele Buchführung über die Schwarzgeldkonten, die im Januar die große Tageszeitung El País veröffentlichte, aus seiner Feder stammt. Alle Einnahmen und Ausnahmen seien darin korrekt verzeichnet. Er sprach im Prozess von einer "Tradition" der PP, dass "Zusatzlöhne" in bar steuerfrei ausgezahlt wurden. Nach seiner Verhaftung hatte er schon Ermittlungsrichter Pablo Ruz erklärt, dass sich die PP "in den letzten 20 Jahren illegal finanziert". Das Geld stamme von "Baufirmen und anderen Unternehmen", die dafür "im Gegenzug an öffentliche Aufträge" kamen.

Bezeichnend dafür, dass auch Cospedal das Verfahren als Niederlage sieht, ist die Tatsache, dass sie nun ihre Klage gegen El País zurückgezogen hat, durch deren Berichte sie sich ebenfalls beleidigt sah. Dem Schritt schlossen sich auch sofort andere Parteiführer an, die wie die Vorgänger von Cospedal ebenfalls mit viel Geld bedacht worden seien, bekräftigte Bárcenas. Anders als sie hatten die aber nur die Zeitung verklagt. Auch PP hatte gedroht, ihren Schatzmeister wegen seiner "Lügen" zu. Verklagen. Doch das ist nie geschehen, Cospedal blieb isoliert.

Immer problematischer wird nun die Lage für Rajoy. Schon mit der Bestätigung seiner Schwarzgeldbuchführung wurde der Ministerpräsident indirekt von Bárcenas belastet. Danach soll Rajoy mit mehr als 300.000 Euro die höchste Gesamtsumme erhalten haben. Doch dabei blieb es nicht. Bárcenas griff ihn auch direkt an. Er ist enttäuscht, dass sein ehemaliger Freund ihn nicht geschützt hat und er nun als Sündenbock dasteht. Als 2009 ein Teil des Schmiergeldskandals im Rahmen der Ermittlungen aufgedeckt wurde, die unter dem Decknamen "Gürtel" geführt wurden, sei das Programm abgebrochen worden. "Der Eingang von Spenden wurde gestoppt und die Summen der parallelen Buchführung unter Rajoy und Cospedal aufgeteilt", sagte Bárcenas. Rajoy hatte stets behauptet, weder Geld kassiert noch von den Vorgängen gewusst zu haben.

Der Chef der Vereinten Linken (IU) forderte Cospedal und Rajoy am Wochenende zum Rücktritt auf. Cayo Lara erklärte, beide "ziehen von Lüge zu Lüge bis zur Niederlage weiter". Die Sprecherin der Sozialisten (PSOE) Soraya Rodríguez hält es nun für notwendig, dass sich Rajoy vor einem Gericht verantworten müsse. Für beide Parteien ist es auch kein Zufall, dass gerade am Freitag mit José García Losada der Chef der Sondereinheit der Polizei von der Regierung abgesetzt wurde, die in der Schmiergeldaffäre gegen die PP und ihrer Mitglieder ermittelt und viele der bekanntgewordenen Vorgänge aufgedeckt hat.