Madrid erhält erstmals eine Bürgermeisterin

Auch die spanische Hauptstadt rückt unter Ana Botella noch weiter nach rechts

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Die Rochade zur Regierungsbildung in der spanischen Volkspartei (PP) hat dazu geführt, dass der bisherige Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardón am vergangenen Donnerstag zum Justizminister vereidigt wurde. Damit wurde Ana María Botella Serrano, meist Ana Botella genannt, zur designierten Bürgermeisterin der Hauptstadt. Mit der bisherigen zweiten Vertreterin von Gallardón im Madrider Rathaus rückt erstmals eine Frau auf den Posten des Stadtoberhaupts vor. Mit der Ernennung der 1954 in Madrid geborenen Botella wird aber vor allem das Machtgefüge in der sehr konservativen Volkspartei (PP) gewahrt, womit die spanische Hauptstadt allerdings deutlich weiter nach rechts rückt.

Während der Reformer Gallardón den linkeren Flügel der PP in der neuen Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy repräsentiert, mussten die Ultrakonservativen der Partei, die ohnehin mit wichtigen Posten in der Regierung beacht wurden, auch in der Hauptstadt einen wichtigen Posten erhalten. Die Ehefrau des früheren spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar (1996-2004) war genau die richtige Person dafür. Sie soll am Dienstag im Stadtrat zur neuen Bürgermeisterin gewählt werden. Rajoy versucht mit der Besetzung auch zu verdecken, dass seine Regierungsmannschaft sehr maskulin ist. Nur vier Frauen finden sich unter seinen 13 Ministern. Unter den abgewählten Sozialisten (PSOE) waren die Posten noch paritätisch besetzt.

So versucht die PP zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Der bisherige Vize-Bürgermeister Manuel Cobo, der das Amt nun provisorisch bis zur Wahl von Botella übernimmt, wurde damit erfolgreich übergangen. Er war vor allem für die rechte Präsidentin der Regionalregierung der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Esperanza Aguirre, nicht tragbar. Cobo hatte die rechte PP-Baronin immer wieder für ihren Regierungsstil kritisiert. Vieles spricht dafür, dass Aguirre sogar Reformer in Madrid ausspionieren ließ, was Cobo öffentlich angeprangert hatte. Er wagte es sogar 2004 sich als Gegenkandidat zu Aguirre aufstellen zu lassen und fiel damit in Ungnade. Die Ultrakonservative geriet wegen dem weltoffeneren Stil von Gallardón auch immer wieder mit dem beliebten Ex-Bürgermeister aneinander. Letztlich hat aber nicht sie den Sprung in ein Ministeramt geschafft, sondern der Reformer, was Aguirre zu verhindern suchte.

Da Cobo sogar von der Parteimitgliedschaft suspendiert worden war, war klar, dass er keinesfalls auf den Posten des Bürgermeisters vorrücken würde. Um den Proporz der Parteiflügel zu wahren, wird nun Botella auf diesen Posten gehievt und daran besteht angesichts der absoluten Mehrheit der PP kein Zweifel. Ob die streng katholische Aznar-Gattin als Bürgermeisterin geeignet ist, darf bezweifelt werden. Sie verdankt ihren Aufstieg vor allem ihrem Mann, der immer noch über seine FAES-Stiftung Ideengeber für den rechten Rand der Partei ist, seine Regierung hatte sogar die Franco-Stiftung mit viel Geld subventioniert.

Bisher war Botella für Umweltfragen und Mobilität in der Hauptstadt verantwortlich. Auf dem Posten hat sie sich eher als das herausgestellt, was ihr Name auf Deutsch aussagt: Flasche. Die Hauptstadt versinkt im Verkehrschaos und im Smog. Weil die Wirtschaftskrise das Land heftig im Griff hat und 23 Prozent der Bevölkerung arbeitslos ist, sind die Staus zwar nicht mehr ganz so lang wie vor der Krise, doch das ist kein Erfolg von Botella. Es ist dramatisch, dass in der Hauptstadt weiter gegen die EU-Umweltrichtlinien verstoßen wird. Die Belastung mit Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon werden regelmäßig überschritten, obwohl der Verkehr krisenbedingt zurückgegangen ist. Anstatt die Richtlinien zu erfüllen, hat Botella eine Aussetzung in Brüssel beantragt. "Um die Grenzwerte einzuhalten, müssten wir den Verkehr um 50 Prozent reduzieren und das ist unmöglich", hatte sie den Antrag begründet. Dass es auch Alternativen zum Autoverkehr gibt und auch andere Großstädte die Richtlinien erfüllen, kam ihr nicht in den Sinn.

Auch was ihr Verständnis von demokratischen Rechten angeht, klaffen bei der Juristin deutliche Lücken. Als Papst Benedikt XVI. im Sommer zum viertägigen Besuch zum Weltjugendtag anreiste, wollte sie schlicht alle Proteste verbieten und damit die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit aussetzen. Botella erklärte, man dürfe "niemals" gegen etwas demonstrieren, "was schon organisiert ist". Wundern muss man sich darüber nicht, denn ihr Ehemann trug noch das Blauhemd der faschistischen Falange, als sie sich Mitte der 1970er Jahre kennen lernten und 1977 heirateten. Das Mitglied der faschistischen Studentenorganisation (FES) und ein Kritiker des Franquismus, allerdings wegen ihrer "Fassade", fordert eine Rückkehr zur Ursprungsideologie des Falange-Gründers Primo de Rivera. Logischerweise sprach sich Aznar auch offen gegen einen Übergang Spaniens zur Demokratie aus und Ana Botella, die in dieser Zeit politisch nicht aktiv war, dürfte ähnlich gedacht haben.