Indien: Mutmaßlichen Busvergewaltigern droht Todesstrafe

Die Anklageschrift soll den Vorfall, der Massenproteste auslöste, auf über 1000 Seiten extrem detailliert schildern

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In vielen indischen Ortschaften fanden zum Jahreswechsel 2012 auf 2013 keine öffentlichen Freuden-, sondern Trauerfeiern statt. Das lag daran, dass zwei Tage vorher in einer Spezialklinik in Singapur eine 23-jährige Krankengymnastik-Auszubildende an den Folgen eines Ereignisses starb, das am 16. Dezember in einem öffentlichen Bus geschah: Auf der Heimfahrt von einem Kinobesuch wurde sie von fünf Betrunkenen schwer körperlich misshandelt, (unter anderem mit einer Brechstange) vergewaltigt und zusammen mit ihrem Begleiter (den man zu Beginn der Tat mit der Brechstange bewusstlos schlug) aus dem fahrenden Fahrzeug geworfen. Zeugenaussagen nach soll der Busfahrer, der nicht auf einer regulären Fahrt unterwegs war, sondern seine fünf Freunde "spazierenfuhr", anschließend noch versucht haben, die beiden Opfer zu überrollen.

Gruppenvergewaltigungen sind in Indien keine Seltenheit. Sofern sie überhaupt angezeigt und aufgeklärt werden, empfindet die Öffentlichkeit die Strafen dafür häufig als so lächerlich, dass die Tat vom Dezember ein Faß zum Überlaufen brachte und eine riesige Welle von politischen Demonstrationen auslöste, auf denen Bürger ein deutliches härteres Vorgehen gegen diese Taten im allgemeinen und den Galgen für die aktuellen Täter fordern. Bei diesen Demonstrationen kam bislang nicht nur ein Polizist ums Leben, sie hatten auch zur Folge, dass die Anklageschrift gegen fünf der sechs über Videoaufnahmen ermittelten Tatverdächtigen (unter denen sich ein Gemüsehändler und ein Fitnesstrainer befinden) weitaus schneller fertig wurde als in vergleichbaren Fällen. Der sechste Tatverdächtige, Muhammad A., versucht offenbar einer harten Strafe zu entgehen, indem er geltend macht, er sei noch minderjährig. Diese Frage soll nun über medizinische Gutachten geklärt werden.

Die Anklageschrift soll im Laufe des heutigen Tages präsentiert werden und den Vorfall auf über tausend Seiten sehr detailliert schildern. Da die Anklage auf Mord lautet, droht den volljährigen Angeklagten die Todesstrafe, die in Indien nur relativ selten vollstreckt wird. Zuletzt traf sie einen Terrorislamisten, der sich 2008 in Bombay an der Ermordung von 174 Menschen beteiligt hatte. Wie lange der Prozess dauern wird, ist noch offen. Angeblich gibt es Schwierigkeiten, Anwälte für die Täter zu finden, weil Juristen Anschläge gewalttätiger Fanatiker auf sich und ihre Familien befürchten. Am Neujahrstag hatte die Polizei solch einen Anschlag auf das Haus der Familie eines der mutmaßlichen Täter knapp vereitelt.