Spanisches "Eurovegas" vor dem Aus?

Eigentlich wollte Madrid mit dem Zocker-Paradies aus der Krise kommen, doch die Kritik an dem Projekt wird stärker, ausgerechnet am Rauchverbot könnte es scheitern

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Stolpert die umstrittene Kasino-Stadt "Eurovegas" in Madrid über das spanische Rauchverbot? Weit ist die spanische Regierung dem US-Milliardär Sheldon Adelson entgegengekommen, damit er am Rand der Hauptstadt eine riesige Glücksspiel- und Freizeitstadt errichtet. So will die Regierung unter Mariano Rajoy den Kasino-Mogul weitgehend von Steuern befreien, damit er angeblich bis zu 17 Milliarden Euro investiert. Weder Gewerbe- noch Grundsteuer soll er entrichten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf hat das Kabinett Ende September verabschiedet.

Am Montag hat die Wirtschaftszeitung El Economista berichtet, dass Rajoy das Rauchverbot nicht aufheben will. Die Zeitung bezieht sich auf diverse Quellen im Umfeld des Ministerpräsidenten. Rajoy sei in dieser Frage unnachgiebig und "lehnt eine Gesetzesänderung kategorisch ab". Damit würde das Projekt scheitern, das 260.000 Jobs schaffen soll. Adelson, Sohn jüdischer Einwanderer aus der Ukraine, hat stets erklärt, nur bei einer Aufhebung des Rauchverbots werde er ein Abbild des amerikanischen Las Vegas in Spanien umsetzen. Seine Firma Las Vegas Sands will zwölf riesige Hotel-Anlagen mit insgesamt 36.000 Zimmern, sechs Kasinos mit mehr als 1.000 Glücksspieltischen und 18.000 Spielautomaten errichten. Dazu kommen Theatersäle, Kinos, Golfplätze, Restaurants, Bars, Clubs und Diskotheken.

Dass Rajoy in dieser Frage hart bleiben will, dürfte ein Vorwand sein. Klar ist, dass bei den Konservativen massive Widersprüche aufgebrochen sind. Der überraschende Rücktritt von Esperanza Aguirre, der Präsidentin der Regionalregierung der Region Madrid, vor zwei Wochen wird damit begründet. Sie hat das Projekt federführend vorangetrieben. Die Ultrakonservative warf Rajoy vor, das Projekt zu gefährden, heißt es.

Starker Widerstand wehte Aguirre von der katholischen Kirche entgegen. Der mächtige Verbündete der Volkspartei (PP) fand deutliche Worte gegen Eurovegas. Der Vorsitzender der Bischofskonferenz und Erzbischof von Madrid warnte vor "Verkommenheit" in einem solchen "Sündenreich". Antonio María Rouco Varela sieht die "Moral der Menschen, insbesondere der Jugend", durch "Spiel und Prostitution, Geldwäsche und Pornografie" gefährdet. Seine Worte haben Gewicht in einer Regierung, in der mehrere Minister bekennende Mitglieder der fundamentalistischen Vatikansekte Opus Dei sind. Es fiel auf, dass sich die streng katholische Madrider Bürgermeisterin zu den Aussagen ihres Erzbischofs nicht äußerte und Aguirre nicht unterstützte. Ana Botella ist als Ehefrau von Ex-Ministerpräsident José María Aznar, Ehrenpräsident der PP, ein Schwergewicht der Partei.

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Mit der Ablehnung durch die Kirche hatte sich die Front gegen das Projekt weiter verbreitert, die für Rajoy immer gefährlicher wird. Auch der Verband des Hotel- und Gaststättengewerbes (Ferh) hat Widerstand angekündigt. "Wir werden nicht zulassen, dass in Eurovegas geraucht wird, wenn sich für uns nichts ändert", sagte der Ferh-Präsident José María Rubio. Dazu kommen Kritiker aus dem Finanzministerium. Die Vereinigung der Steuerprüfer (Gestha) befürchtet, dass ein "Steuerparadies" mit der üblichen "Geldwäsche" entsteht. Dazu kommen die Gewerkschaften und die Bürgerinitiative "Eurovegas No", die es auch ablehnen, dass in der Glücksspielstadt keine Tarifverträge gelten sollen.

Auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisiert, dass erneut auf das Modell gesetzt werden soll, das Spanien die tiefe Krise bescherte. "Es ist ein Fehler, wenn eine Gesellschaft mehr auf Spiel als auf produktiver Aktivität basiert." Er weist auf die "Tendenzen" zur Korruption hin, die sich im Umfeld breitmachen würden. Leider neigten die Betreiber dieser Geschäften dazu, die "Gesellschaft zu korrumpieren". Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Mario Fernández. Der Präsident der baskischen Kutxabank, Spaniens stabilste Bank gemäß dem neuesten Stresstest, spricht von einem "Bordell". Er traut weder dem Geschäftsmodell noch den von Adelson vorgelegten Zahlen, wonach täglich 2.500 Arbeitsplätze entstehen sollen.

Dass das US-Justizministeriums gegen die Las Vegas Sands Corporation von Sheldon Adelson wegen Korruption in China ermittelt, hat die Lage für Rajoy weiter zugespitzt. Auch das chinesische Devisenamt ermittelt wegen verschiedener Vergehen gegen seine Firma. Adelson hatte sein Geschäft von Las Vegas 2007 auf Asien ausgeweitet. Nach der Glückspielstadt "Venetian Macao" eröffnete er danach auch eine Kasino‑ und Hotelanlage in Singapur. Auch im ungarischen Bezenye soll ein Eurovegas entstehen, doch der Baubeginn wird dort immer wieder verschoben. Nach Angaben der ungarischen Nachrichtenagentur MIT soll aber noch in diesem Jahr mit dem Bau an der Grenze zu Österreich begonnen werden.