Frauenforschungszentrum: Feminismusfeinde müssen draußen bleiben - oder doch nicht?

Außer Kontrolle

Von einem, der auszog, ein paar Bücher zu lesen und wegen seiner antifeministischen Einstellung scheiterte. Und von Missverständnissen, die mehr Fragen aufwerfen, als Antworten geben.

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Hadmut Danisch ist nicht unbedingt als jemand bekannt, der den Feminismus mit Jubelarien bedenkt. Er beschäftigt sich mit den Themen Korruption, Wirtschaftsbetrug etc. und im Zuge dieser Thematik sind auch Gender und Queer Studies / Feminismus für ihn interessant. Dies wird schnell als feminismusfeindlich interpretiert, was dann zu "Missverständnissen" führt wie jüngst im Fall eines Archives des Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrums in Berlin e.V. Dort wollte sich Herr Danisch umsehen, um Material für seine weiteren Recherchen zu suchen. Das Archiv, eine Präsenzbibliothek, stellt sich auf seiner Homepage als tolerant und weltoffen dar.

"Wer kann das Archiv nutzen? Alle Menschen, die Interesse an unserem Bestand haben." Das klingt nicht so, als würde es irgendwelche Einschränkungen geben oder als würde gar die Einstellung zum Feminismus per se eine Rolle dabei spielen, eine Genehmigung für das Aufsuchen des Archives zu bekommen. Der Term "alle Menschen" sowie auch die Wahl des Wortes "Interesse", ohne die oft extra einschränkend genutzten Adjektive "berechtigt" oder "nachvollziehbar", lassen vermuten, dass hier tatsächlich lediglich ein paar Worte zur Anmeldung genügen. Doch dem war nicht so.

"Bitte melden Sie sich vor der Nutzung des Archivs während unserer Öffnungszeiten bei uns per Telefon oder E-Mail an. Wir ermuntern auch zum kostenlosen Besuch des Lesesaals für eine Erstorientierung sowie zur Diskussion von Plänen für Recherche- und Forschungsvorhaben." In der Benutzer_innenordnung wird auf diese Regelung hingewiesen, doch auch hier wird nirgends erwähnt, dass eine Begründung für den Besuch notwendig ist. Es ist daher verständlich, dass Herr Danisch zunächst auf eine Begründung verzichtete. Das FFBIZ ging anscheinend davon aus, dass es selbstverständlich sei, das Anliegen zu präzisieren, und machte dies in seiner eher ablehnenden Mail auch deutlich. Doch irritierender war, dass der Ansprechpartner des FFBIZ nicht nur Herrn Danischs Blogbeiträge recherchierte, sondern daraus zum einen eine feminismusfeindliche Einstellung konstruierte, zum anderen auch dies zum Anlass nahm, den Zugang zum Archiv zu verwehren.

"Aus Ihren Blogeinträgen geht ihre Einstellung zum Feminismus eindeutig hervor. Aus diesem Grund frage ich mich, was Sie in einem Projekt, das aus der Frauenbewegung entstanden ist und eine klare politische Haltung verkörpert, möchten. Wir tragen Verantwortung unseren Materialgeberinnen gegenüber und können deshalb Menschen mit einer klaren antifeministischen Einstellung keinen Zugang zu unseren Unterlagen gewähren. Für Ihre Theorien finden Sie sicherlich woanders geeigneteres Material."

Hadmut Danisch fragte sich nun in seinem Blogbeitrag "Ich darf nicht ins Archiv: Falsches Geschlecht. Falsche Gesinnung.", inwiefern sich dies denn zum einen mit der auf der Homepage suggerierten Offenheit für alle, zum anderen aber auch mit der Förderung durch den Berliner Senat vereinbaren lässt. Laut Selbstdarstellung muss das FFBIZ lediglich 10% Eigenanteil aufbringen und wird ansonsten von der öffentlichen Hand gefördert. Hier stellt sich dann die Frage, wieso es dann möglich ist, dass nur "genehmen Personen" der Zutritt erlaubt wird.

Für Hadmut Danisch war die Sache damit noch nicht ausgestanden. Zum einen wies er den Herrn im FFBIZ darauf hin, dass seiner Meinung nach Menschen sich entscheiden müssten, ob sie ihre Materialien einem öffentlich geförderten Archiv überantworten, was dann allen offenstehen müsste; oder ob sie auf ein privat geführtes Archiv ausweichen. Er wies weiterhin darauf hin, dass nirgends ersichtlich sei, dass eine Begründung für das Aufsuchen des Archives notwendig sei, und erläuterte seine Anliegen detailliert. Die Antwort des FFBIZ war in seiner Schlichtheit interessant, wurde doch auf einen Großteil der Anmerkungen/Fragen nicht eingegangen, sondern lediglich erneut vermutet, dass das Archiv sowieso bei diesem Themengebiet keine entsprechenden Materialien aufweisen würde, man aber gerne eine Literaturliste zusammenstellen könne. Die Botschaft dahinter war, wenn auch freundlich verpackt, insofern ein weiteres Mal ein "Du musst draußen bleiben".

Das Schweigen des Senats

Der Berliner Senat, an den sich Hadmut Danisch wandte, sah in der Thematik nichts, was ihn interessieren würde. Die Fragen, auf welcher Rechtsgrundlage das Archiv gefördert wird und ob das Archiv gemeinnützig sei und wie sich dies denn mit einer solchen Behandlung von Interessierten vereinbaren ließe, blieben unbeantwortet. Stattdessen wurde gefragt, wer Herr Danisch sei, warum er sich denn für diese Aspekte interessiere; und es wurde mitgeteilt, dass man sich aus zeitlichen Gründen nicht damit befassen würde.

Hier stellt sich die Frage, inwiefern ein solches Anliegen überhaupt schlichtweg ignoriert werden kann und darf. Öffentliche Stellen sind normalerweise verpflichtet, auf solche Anfragen Antworten zu geben, spätestens wenn die Anfrage im Zuge des Informationsfreiheitsgesetzes gestellt wird.

Alles nur ein Missverständnis

Die ganze Angelegenheit fand jetzt plötzlich doch noch ein gutes Ende, wenn auch dieses weiterhin Anlass zu Fragen gibt. Aus der Absage wurde jetzt eine Zusage, die eigentlich sowieso schon gegeben worden war, wie es heißt.

"Ich präzisiere noch einmal meine e-mail – Antwort vom 10.09.2013, da es sich hier vermutlich um ein Missverständnis gehandelt hat. Sehr gerne können Sie unser Archiv nutzen, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass Sie für Ihr Forschungsziel kaum fündig werden", schreibt der Mitarbeiter des FFBIZ.

Um dieses "Missverständnis" als solches anzusehen, muss eine Mail, die da lautet:

"Aus Ihren Blogeinträgen geht ihre Einstellung zum Feminismus eindeutig hervor. Aus diesem Grund frage ich mich, was Sie in einem Projekt, das aus der Frauenbewegung entstanden ist und eine klare politische Haltung verkörpert, möchten.

Wir tragen Verantwortung unseren Materialgeberinnen gegenüber und können deshalb Menschen mit einer klaren antifeministischen Einstellung keinen Zugang zu unseren Unterlagen gewähren.

Für Ihre Theorien finden Sie sicherlich woanders geeigneteres Material."

als Zusage interpretiert werden, die lediglich anzweifelt, dass Herr Danisch im Archiv fündig wird. Doch für eine solche Zusage wäre weder eine Bewertung der Einstellung des Herrn Danisch zum Feminismus, noch der Hinweis, dass der Zugang bei einer antifeministischen Einstellung nicht gewährt werden kann, notwendig gewesen. Auch bleibt weiterhin offen, inwiefern überhaupt die Einstellung der Interessierten eine Rolle spielen darf, wenn sie nicht nur der Selbstdarstellung des FFBIZ widerspricht (_alle_ Menschen, die _Interesse_an unserem Bestand haben), sondern auch insofern auf Ausgrenzung hinweist.

Um zu erfahren ob dies ein Einzelfall ist oder bereits Personen aus ähnlichen Gründen der Zugang zum Archiv verwehrt wurde, wurden dem Mitarbeiter des FFBIZ

von mir

(Hinweis: das "von mir" wurde hinzugefügt, es fehlte leider beim Originalbeitrag, soll aber verdeutlichen, dass die Antworten mir vorliegen) einige Fragen gestellt.

"Herr Danisch zitiert Sie dahingehend, dass zunächst das Anliegen klar dargestellt werden muss bevor das Archiv aufgesucht werden darf. Ist dem so oder wird dies nur bei Herrn Danisch so praktiziert? Wie detailliert muss das Anliegen dargestellt werden?

Sie werden weiterhin zitiert mit

"Aus Ihren Blogeinträgen geht ihre Einstellung zum Feminismus eindeutig hervor. Aus diesem Grund frage ich mich, was Sie in einem Projekt, das aus der Frauenbewegung entstanden ist und eine klare politische Haltung verkörpert, möchten. Wir tragen Verantwortung unseren Materialgeberinnen gegenüber und können deshalb Menschen mit einer klaren antifeministischen Einstellung keinen Zugang zu unseren Unterlagen gewähren."

Nun dienen Archive nicht nur Menschen mit der positiven Einstellung zu einem Thema als Zeitzeugnis, ferner kann Information natürlich auch zu einer Veränderung der Einstellung führen. Daher frage ich Sie: Wird das Archiv per se nur Menschen mit einer positiven Einstellung zum Feminismus gegenüber geöffnet?

Wie hoch sind die jährlichen Summen, die das Projekt durch den Senat Berlin erhält und, falls eine Gemeinnützigkeit besteht, wie lässt sich diese damit vereinbaren, dass hier sehr selektiv Material zur Verfügung gestellt und Menschen das Aufsuchen des Archives verwehrt wird weil sie keine positive Einstellung zum Feminismus haben?

Sie werden auf der HP des FFBIZ so darsgestellt: Das FFBIZ steht allen Menschen offen, die sich für unsere Bestände interessieren.“

Nun heißt Interesse nicht zwangsläufig, dass diese Menschen (schon) eine positive Einstellung zum Feminismus haben. Inwiefern ist diese tolerante Selbstdarstellung mit der Ablehnung Herrn Danischs zu vereinbaren und wurden schon bisher Menschen aus ähnlichen Gründen abgelehnt?"

Die Antworten fielen jedoch eher dürftig aus. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die Benutzer_innenordnung bereits aussagt, dass Angaben zur Person und zum Anliegen gemacht werden müssen. Tatsächlich findet sich dies in der Benutzer_innenordnung wieder.

Natürlich würden keine Personen mit antiministischer Einstellung per se abgelehnt, heißt es weiter. Man habe hier etwas vorausgegriffen, weil man geschlussfolgert hätte, dass Herr Danisch keine geeigneten Materialien finden würde. Eine Literaturliste habe man ihm bereits zugesagt und auch schon fertiggestellt. Falls es geeignete Bücher im Archiv gäbe, könne er diese einsehen.

Die Fragen zur Förderung durch den Senat sowie die Frage, ob bisher schon Personen aus ähnlichen Gründen abgelehnt wurden, blieben unbeantwortet, auch eine weitere Anfrage, die auf die restlichen, noch offenstehenden Fragen hinwies, wurde nicht beantwortet. Dabei wäre gerade die Frage, ob bereits Personen aus ähnlichen Gründen der Archivzugang verwehrt wurde, wichtig gewesen, um bewerten zu können, ob hier einmal "vorausgegriffen" wurde oder ob die Begründungen von Interessierten auch zu Ablehnung führen können, ob die prinzipielle Einstellung zum Feminismus hier eine Rolle spielt oder nicht.

Zwar ist es erfreulich, dass das Archiv Herrn Danisch nun doch einen Zugang gewährt, doch die wenigen Antworten, die auf die offenen Fragen gegeben werden, sowie die Art und Weise, wie aus einer eindeutigen Ablehnung mit Bezug auf die vermutete Eintstellung ein "Missverständnis" konstruiert wird, lassen eher vermuten, dass hier lediglich zurückgerudert wurde, um Probleme mit der öffentlichen Darstellung des FFBIZ zu vermeiden.