Europäischer Gerichtshof erklärt pauschale Kopiergebühren für illegal

Die generelle Abgabe auf digitale Speichermedien, wie sie in vielen Staaten erhoben wird, ist nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) rechtswidrig

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In der Frage von pauschalen Gebühren für das Anfertigen von Privatkopien auf elektronische Geräte und Speichermedien, wie sie in vielen Ländern Europa erhoben werden, ist wie erwartet am Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Entscheidung gegen Spanien gefallen. Schon im Mai war eine Vorentscheidung in Luxemburg gefallen, als die Generalanwältin Verica Trstenjak ihren Schlussantrag im Rechtsstreit vorgestellt hatte, der seit Jahren in Spanien zwischen Herstellern von Speichermedien und Netizen auf der einen Seite und der Verwertungsgesellschaft SGAE auf der anderen Seite tobt.

Das nun veröffentlichte Urteil macht klar, dass es nicht nur um den spanischen Spezialfall geht und Verwertungsgesellschaften in ganz Europa betroffen sind. Wie erwartet, hat das EuGH geurteilt, dass eine pauschale Erhebung von Urheberrechtsabgaben auf Geräte und Leermedien gegen die Anforderungen nach einem "gerechten Ausgleich" im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie von 2001 (2001/29/EG) verstößt:

"Artikel 5(2)(b) der Richtlinie 2001/29 muss so ausgelegt werden, dass es zwingend eine Verbindung zwischen der Anwendung der Abgabe zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs im Hinblick auf digitale Kopiergeräte und Medien sowie deren beabsichtigter Nutzung für den Zweck der Erstellung von Privatkopien gibt."

Deshalb sei die "unterschiedslose Erhebung" der Kopiergebühr nicht statthaft, vor allem wenn die "Kopiergeräte und Medien" nicht an Privatanwender abgegeben werden und daher ganz klar für andere Nutzungszwecke bestimmt sind: "Das ist unvereinbar mit Richtlinie 2001/29." Das gilt zum Beispiel, wenn Behörden auf den Datenträgern ihre Datensicherung vornehmen.

Es muss gemäß dem Urteil klar festgestellt werden, welche Einnahmen den Urhebern geschützter Werke mutmaßlich durch die Herstellung von Privatkopien entgehen. Alle anderen Nutzungen von Geräten und Medien für die geschäftliche Nutzung oder zum Kopieren freier Software, Musik, etc. dürfen nicht zur Finanzierung der Abgabe herangezogen werden. Den Nationalstaaten wird praktisch der Auslegungsspielraum für derlei Gebühren genommen. Festgestellt wird, dass das Konzept des "gerechten Ausgleichs" in der gesamten EU "einheitlich ausgelegt werden muss".

Mit Spanien wurde ein besonders krasser Fall behandelt und das Urteil folgt auch spanischen Gerichten, vor denen Netizen bisweilen die Rückzahlung von 22 Cent Kopiergebühr durchgesetzt hatten, die für jeden CD-Rohling lange Zeit bezahlt werden mussten. In Deutschland sind es dagegen nur 7,2 Cent, die zudem nur auf 30% aller Datenträger erhoben werden.

Das heißt aber nicht, dass das zu erwartende Urteil keine Auswirkungen auf Deutschland oder andere EU-Länder hat. Denn die Praxis, nur einen Teil der Datenträger mit der Gebühr zu belegen, wurde schon bei DVDs in Deutschland nicht mehr angewendet. Pauschale Gebühren werden auch für Speicherkarten, USB-Sticks, etc. erhoben. Warum sollte aber eine Firma, ein Gericht oder ein Freiberufler Abgaben für Speicherkarten, Sticks, Fotokopiergeräte, Brenner, etc. bezahlen, wenn damit keine Privatkopien von urheberrechtlich geschützten Inhalten angefertigt werden?

Wenn spanische Gerichte bisher die Rückzahlung von Kopiergebühren anordneten, hoben sie ihrerseits meist darauf ab, dass die Gebühr jahrelang sogar wie eine Steuer abgeführt wurde, ohne dass es eine gesetzliche Regelung dafür gab. Das war aber nicht die Frage des Gerichtshofs in Barcelona, der in zweiter Instanz mit dem Rechtsstreit zwischen Padawan und der SGAE befasst war und das Verfahren im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen vor dem EuGH klären ließ. Der Speichermedienhersteller hatte sich geweigert, eine Nachzahlung von 16.759,25 Euro an die SGAE für den Vertrieb von Leermedien zwischen September 2002 und September 2004 abzuführen.

Das Urteil ist ein schwerer Schlag für die SGAE, deren Praktiken sogar schon ins Blickfeld der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft gerückt sind. Zudem läuft der Versuch der sozialistische Regierung ins Leere, das Problem durch ein nachgeschobenes Gesetz doch noch zu regeln, um der stark umstrittenen Verwertungsgesellschaft viele Millionen zuzuschaufeln. Anstatt das Problem einer unterschiedslosen Erhebung der Gebühr zu beseitigen, wurden auch in Spanien pauschal neue Geräte und Speichermedien einbezogen.

Die Schlinge um die SGAE zieht sich nun fest zu, denn die Finanzierung des undurchsichtigen Firmennetzwerks ist damit weitgehend zusammengebrochen. Zudem fordert die Opposition, dass die Gesellschaft 100 Millionen illegal Gebühren zurückzahlt, die allein 2009 erhoben wurden. Während die Konservativen die Gebühr bis 2004 in einer rechtlichen Grauzone belassen hatten, brachen die Sozialisten (PSOE) unter José Luis Rodríguez Zapatero sogar ihr Wahlversprechen. Eigentlich sollten Gebühren und Internet-Kontrollgesetze abgeschafft werden. Die Zapatero-Regierung hat sich sogar europaweit zum Lobbyist für die Content-Industrie entwickelt.

Kultusministerin Ángeles González-Sinde kündigte an, man werde mit den "betroffenen Sektoren eine Alternative suchen". Eigentlich müsste die Ministerin angesichts dieses Debakels zurücktreten. Wegen ihrer Verflechtungen in die Filmindustrie hätte sie ohnehin nie auf diesem Posten kommen dürfen. Bekannt ist ihr Ministerium auch dafür, dass man einen Gerichtshof für Schwerverbrechen auf Filesharer ansetzt und immer wieder massive versteckte Zensurmaßnahmen im Internet fordert.