Atomausstieg auf Probe

Ab heute nur noch vier Atomkraftwerke am Netz

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Ab diesem Wochenende kann man sich einen Eindruck von der Zeit nach der Atomkraft verschaffen, denn von den 17 deutschen Reaktoren sind ab heute nur noch 4 am Netz. Der Grund: RWE nimmt das Atomkraftwerk Emsland (1.400 MW) für die Wartung vom Netz. Es ist das 13. Atomkraftwerk in Deutschland, das innerhalb weniger Wochen den Betrieb einstellt - so schnell und einfach kann der Atomausstieg gehen, wenn man nur will. Damit ist das Netz für die kommenden Tage weitgehend frei von Atomstrom. Vor Fukushima lieferten die Reaktoren noch rund 21 Prozent des Stromverbrauchs im Land, das ist erst einmal vorbei, statt dessen können u.a. die 21.000 Windkraftanlagen zeigen was sie leisten können, wenn sie nicht mehr vom Netz genommen werden für den Vorrang von "Grundlaststrom" aus den Atomkraftwerken.

Von insgesamt 20.470 Megawatt installierter Atomkraftleistung liefern ab Samstag Nachmittag nur noch die Meiler Brokdorf, Isar 2, Gundremmingen C und Neckarwestheim mit einer Leistung von 5.400 Megawatt Strom. Mitte März waren nach dem GAU in Fukushima schon die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke vorerst für drei Monate stillgelegt worden. In diesem Zeitraum fällt dazu noch die planmäßige Abschaltung, Revision und Wartung von fünf weiteren Reaktoren und der Pannenreaktor in Krümmel ist schon seit Jahren vom Netz. Ein Testfall für die Netzbetreiber, Politiker und Stromverbraucher, der zeigen kann, dass eine sichere Stromversorgung auch nach einem schnellen Atomausstieg gewährleistet ist.

Sollten allerdings in dieser Zeit instabile Netzzustände oder gar Stromausfälle eintreten, könnte das den Kritikern des Atomausstiegs neue Argumente liefern. Einige Netzbetreiber sprechen von einer angespannten Situation, aber es sei alles unter Kontrolle, so Joachim Vanzetta von der RWE-Netztochter Amprion. Volker Kamm von "50 Hertz", dem Netzbetreiber des ehemaligen Vattenfallnetzes, sagt, die Sicherheitsreserven seien aufgebraucht. Der Netzbetreiber Tennet geht pragmatischer vor und hat bei E.on angefragt, ob sie die eigentlich vorgesehene Revision und Abschaltung des Steinkohlekraftwerks Staudinger 5 etwas verschieben können. Außerdem dürfte es in nächster Zeit an regenerativem Strom im Netz nicht mangeln. Nach viel Sonnenschein wird ab Samstag das nächste Tiefdruckgebiet erwartet, so dass an Windstrom kein Mangel bestehen wird.