Palandtin

Juristischer Traditionskommentar hat erstmals eine Autorin

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die 72. Auflage des in der Praxis bedeutendsten Zivilrechts-Kommentars "Palandt", der insbesondere in der prädigitalen Zeit Juristen über die Rechtsprechung informierte, ziert erstmals der Name einer Autorin. Die Münchener Richterin am Oberlandesgericht Frau Dr. Isabell Götz, stellvertretende Vorsitzende des Familiengerichtstag e.V., brach die Tradition des jährlich in einer aktualisierten Fassung erscheinenden Werkes. Die bisherige Männlichkeit des Palandt ist insofern bemerkenswert, weil Werksbegründer Otto Palandt seinerzeit Frauen als das "justizuntaugliche Geschlecht" zu bezeichnen pflegte. Frau Dr. Götz wurden nun zumindest Paragraphen im Familienrecht zugetraut, was wenigstens schon dem Rollenverständnis der 1950er Jahre entspricht.

Warum sich bislang für den Palandt keine Autorin hatte finden lassen, ist unklar, denn an Juristinnen herrscht kein Mangel, und eigentlich müsste allen Absolventinnen des zweiten juristischen Staatsexamens eine vergleichsweise triviale Aufgabe wie das Einpflegen neuer Urteile in die Paragraphen-Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch zuzutrauen sein. Es spricht daher einiges dafür, dass die Kommentatoren eher nach Prestige ausgewählt wurden. Fähige Juristinnen gibt es genug. Bereits 1914 hatten sich Frauen im Deutschen Juristinnen-Verein und seit 1948 im Deutschen Juristinnen Bund zusammengeschlossen. Die späte Berufung einer Frau in das Palandt-Pantheon verwundert, da sich Juristinnen seit Jahrzehnten in der Rechtswissenschaft etabliert haben. Selbst bei der Urfassung des Grundgesetzes von 1949 wirkte eine Frau mit. Da viele juristische Autoren oft nur ihren verkaufsfördernden Namen einsetzen und die Arbeit von ungenannten wissenschaftlichen Hilfskräften gemacht wird, ist nicht auszuschließen, das schon in bisherigen Bearbeitungen des Palandt Frauen "am Werk" waren.

Manchen juristischen Autorinnen war ihr Geschlecht nicht zwingend am Namen anzusehen. So dürfte Frau Prof. Dr. Lerke Osterloh, die sich in den 1990ern einen Namen im Verfassungsrecht gemacht hatte, davon profitiert haben, dass ihr seltener Vorname vor Wikipedia-Zeiten bisweilen für einen männlichen gehalten wurde. Umgekehrt wird der Strafrechtler Prof. Heike Jung vermutlich unter seinem Vornamen gelitten haben, der vielen landläufig als ein ausschließlich weiblicher erscheint.