Beschneidung bei Mädchen: Deutschland verabschiedet besonderen und "symbolischen" Straftatbestand

Außer Kontrolle

Weitgehend unbemerkt hat der deutsche Bundesrat am Freitag, dem 5.7.2013 die Beschneidung von Mädchen als zusätzlichen Straftatbestand im Strafgesetzbuch verankert.

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Bereits seit einigen Jahren wurde versucht, in Deutschland die Beschneidung von Mädchen als eindeutig genannten Straftatbestand im Strafgesetzbuch (StGB) aufzunehmen, statt sie, wie bisher, als "gefährliche Körperverletzung" im Sinne des StGB zu regeln. Der Weg zu dieser Änderung war jedoch lang und teilweise steinig, denn nicht nur die Frage, wie mit im Ausland vorgenommener Beschneidung umzugehen sei, sondern auch die erst jüngst noch einmal deutlich formulierte Akzeptanz der Beschneidung von männlichen Säuglingen/Kindern standen einer schnellen Regelung im Weg.

So bemühten sich auch in der Diskussion diejenigen, die meinten, dass eine deutliche strafrechtliche Sanktionierung der Beschneidung von Mädchen von Nöten sei, stets darum, die Beschneidung männlicher und weiblicher Säuglinge bzw. Kinder streng auseinanderzudividieren. Um dies zu erreichen wurden in vielen Kommentaren und Stellungnahmen die weniger archaisch anmutenden Beschneidungsrituale an männlichen Säuglingen und Kindern den stark archaisch anmutenden Ritualen an weiblichen Säuglingen und Kindern entgegengesetzt, wodurch der erwünschte Eindruck, die Beschneidung von Jungen sei ja "eigentlich gar nicht so schlimm" schnell erzielt wurde. Die Entfernung der Vorhaut, so der Tenor, sei ja letztendlich nicht mit der Entfernung der Klitoris sowie dem Zunähen der Vulva zu vergleichen.

Hierbei wurde außen vor gelassen, dass es auch bei der weiblichen Beschneidung Formen gibt, die noch am ehesten der männlichen Beschneidung ähneln. Die Formen der männlichen Beschneidung reichen von der traditionellen rituellen Form über die Anwendung von Ringen, die für eine Unterbrechung der Blutzufuhr an die Vorhaut sorgen bis hin zu ähnlich funktionierenden Klemmen. Bei der rituellen Beschneidung wurde früher öfter das austretende Blut vom Mohel mit dem Mund entfernt, was heutzutage seltener praktiziert wird. Auch die diversen Beschneidungsvarianten zeigen auf, dass es die männliche Beschneidung nicht gibt. Bei der weiblichen Beschneidung ist dies ähnlich. Bereits die Formulierungen, die für die Beschneidung oft genutzt wird, machen jedoch deutlich, wie stark zwischen der weiblichen und männlichen Beschneidung unterschieden wird – so wird die weibliche Beschneidung oft als "weibliche Genitalverstümmelung" bezeichnet, ein Begriff, der bei der Einordnung der männlichen Beschneidung von offizieller oder sachverständiger Seite nur selten genutzt wird. Bei der weiblichen Beschneidung werden vier Typen unterschieden.

Bereits während der Debatte, wie in Deutschland mit der Beschneidung männlicher Säuglinge bzw. Kinder umgegangen werden soll, wurde auch die weibliche Beschneidung thematisiert, blieb jedoch, anders als bei der männlichen Beschneidung, als eindeutig zu kritisierende bzw. abzulehnende Handlung von jenen, die letztendlich der männlichen Beschneidung ihren "Segen" gaben (aka diese gesetzlich erlaubten) einseitig negativ konnotiert, während die männliche Beschneidung vielfach auch mit positiven Aspekten wie nicht zuletzt auch der Vermeidung der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten versehen wurde. Mit ähnlichen Argumenten wird derzeit auch die Anwendung der durchblutungsstoppenden Ringe empfohlen.

Derartige Empfehlungen führen bei Kritikern oft dazu, dass denjenigen, die die weibliche Beschneidung als per se barbarisch ansehen, die männliche jedoch sogar empfehlen, dies als eine Art modernes Herrendenken interpretieren. So wird einerseits den Völkern, die noch die weibliche Beschneidung, egal in welcher Form, praktizieren, der Vorwurf gemacht, sie würden ohne Not, lediglich aus Tradition oder Religion heraus, an den Geschlechtsorganen von Kindern Veränderungen vornehmen, was barbarisch sei und auch tief in die späteren Möglichkeiten des Auslebens der Sexualität eingreife; während zur gleichen Zeit bei der Beschneidung von Jungen derartige Praktiken sogar als erwünscht und nicht zuletzt verantwortungsvoll hinsichtlich der Körperhygiene usw. definiert wird. Diese Inkonsequenz, so Kritiker, zeigt auf, dass hier letztendlich den Völkern, gerade auch in Afrika, das Denken der westlichen Welt aufgezwungen werden soll, gleichgültig ob dies logisch nachvollziehbar ist oder nicht.

Die nunmehr von Bundestag und Bundesrat abgesegnete Veränderung des §226 StGB, die die weibliche Beschneidung extra erwähnt und mit Haftstrafen bis zu 15 Jahren sanktioniert, ist, so sagt es beispielsweise die Vorsitzende von "Terre des Femmes", Irmingard Schewe-Gerigk, denn auch eine eindeutige Ansage an die "afrikanische Community", dass "Beschneidung bei uns (in Deutschland – Anmerkung der Autorin) verboten ist".

"TERRE DES FEMMES begrüßt die mit dem vorgesehenen § 226 a verbundene Einstufung weiblicher Genitalverstümmelung als Verbrechen", heißt es in der Stellungnahme der Frauenrechtsorganisation. Auch die Bundesjustizministerin hatte sich bereits positiv über die Veränderung des StGB hinsichtlich der weiblichen Beschneidung ausgesprochen. Sie begründete die Strafverschärfung damit, dass die Genitalverstümmelung "ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit" sei.