Gegen die Finanzlobby eine Gegenlobby

Europäische Verbände und Nichtregierungsorganisationen gründen Finance Watch

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Im vergangenen Jahr hatten Abgeordnete im Europaparlament bemängelt, dass es gegen die massive Finanzlobby keine Gegenlobby in der Finanzbranche gebe. Die Parlamentarier stellten fest, dass sie bei den Versuchen zur "Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes" einem täglichen "Druck des Finanz- und Banksektors" ausgesetzt seien, mit dem diese Einfluss auf die Entscheidungen nehmen. Das Ergebnis ist bekannt, denn obwohl der Sektor die Welt in die tiefste Krise nach der Großen Depression gestürzt hat, ist man mit der Regulierung nicht weit gekommen.

Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF), der nicht gerade als großer Kritiker des Sektors bekannt ist, kam kürzlich zu einem fatalen Ergebnis: Es sei "lediglich an den Symptomen der Kernschmelze im globalen Finanzsystem herumgedoktert worden". Man habe eine der "seltenen Chancen" vertan, um die "Ursachen zu bekämpfen". Ohne die Reform der Finanzmärkte werde die "Saat für die nächste Krise gesät". Das ist auch ein Erfolg der Lobbyorganisationen. Wie ihre Befehlsgeber, die der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz gerade "Zauberer der Finanzwelt" genannt hat, hätten sie "das Risiko eines künftigen Finanzgaus erhöht."

Um dem wenigstens etwas entgegen setzen zu können, wurde nun von 30 Verbänden und Nichtregierungsorganisationen Finance Watch auf die Beine gestellt. Zuvor hatten 200 Europaabgeordnete und Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten einen entsprechenden Aufruf gestartet und den Aufbau mit angeschoeben. Dazu wurde ein gemeinnütziger Verein in Belgien gegründet. Die Anerkennung wird Ende Mai erwartet und dann soll die Arbeit, eine Gegenlobby aufzubauen, im Sommer aufgenommen werden, die Politiker werden sich zurückziehen.

Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich, wie der grüne EU-Parlamentarier und Mitinitiator Sven Giegold mitteilt, neben Transparency International auch Attac-Frankreich, der Europäische Gewerkschaftsbund, der EU-Verbraucherschutzverband, Oxfam oder Europäische Verband der Kleinanleger und die deutsche Rosa Luxemburg Stiftung. Erwartet wird, dass in den nächsten Wochen noch weitere Organisationen beitreten, bevor die erste Mitgliederversammlung im Juni stattfindet und das Aufsichtsgremium gewählt wird. Die Finanzierung steht noch nicht vollständig, sie soll aber transparent sein, damit die Finanzbranche nicht auch auf die Gegenlobby mit Geld Einfluss nehmen kann.

Ein Team, für das zehn Personen angepeilt werden, soll dann die Parlamentarier bei der Arbeit mit Informationen bei den Gesetzgebungsverfahren unterstützen. Es geht darum, den Gutachten und komplizierten Analysen der Lobbyisten eine andere Expertisen entgegen zu setzen, so dass nicht allein Banken, Börsen und Fonds in den Debatten über Finanzmarktthemen Gehör finden, sondern Alternativen gegen den Kurs aufgezeigt wird. Denn gerne stellen die Lobbyisten die von ihnen vorgegebenen Maßnahmen als "alternativlos" dar, was von Bundeskanzlerin Merkel ja gerne aufgegriffen wird und deshalb zum Unwort des Jahres 2010 gekürt wurde. Als Vorbild dienen der Gegenlobby die Bereiche Umwelt und öffentliches Gesundheitswesen, wo Nichtregierungsorganisationen (NRO) schon eine echte Gegenlobby entwickelt hätten, wie es sie auch im sozialen Bereich für Arbeitgeber und Gewerkschaften gäbe. Derlei fehle eben im Finanzsektor und Finance Watch tritt an, um diese Lücke nun schließen.