"Evil Iran"

Die bei WikiLeaks veröffentlichten Berichte über Gespräche mit arabischen Führern zeigen eine deutliche Feindseligkeit gegenüber Iran

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Die internen, zum Teil geheimen, Dokumente der US-Botschaften, die WikiLeaks seit gestern Abend unter dem Namen Cablegate veröffentlicht, machen Türen zu Diplomatie-Hinterzimmern auf. Wie viel man dabei sehen - und tatsächlich auch erkennen - kann, was üblicherweise wenn überhaupt nur gefiltert und vermittelt nach außen dringt, ist aber zunächst nur in Umrissen und größeren Figuren deutlich. Noch ist auch nicht absehbar, wie viel diplomatisches Porzellan mit diesen Leaks zerbrochen wird - solche Befürchtungen wurden ja in den ersten Reaktionen oft geäußert. Insbesondere Reaktionen aus Iran und den arabischen Staaten stehen noch aus. Man darf gespannt sein. Das Thema "Irans Nuklearprogramm" ist zentral in der ersten Veröffentlichungswelle.

Erste Einblicke zu den Inhalten verschaffen der Guardian und die New York Times. Beiden Zeitungen wurden die Dokumente schon früher zugespielt, so dass sie Zeit hatten, sie zu sichten und aufzubereiten. Mag man auf den ersten schnellen Blick noch zur Überzeugung gelangen, dass die Inhalte der Dokumente wenig Neues verraten, weil die Positionen, mit denen die Vertreter der arabischen Länder, wie Saudi-Arabien, den Golftstaaten, Ägypten oder Joprdanien zitiert werden, alle irgendwie bekannt sind und kaum verblüffen, so zeigt sich im Laufe der Lektüre dann doch auch Neues aus den Hinterzimmern.

Zum einen konkrete Deals. Wie etwa das von den USA eingefädelte Manöver, China als Gegengeschäft für eine Nichtablehnung härterer Sanktionen gegen Iran im Sicherheitsrat, eine Garantie auf saudisches Öl zu verschaffen. Zum anderen ungeschminkte Äußerungen von wichtigen Regierungsvertretern zu Iran und dessen Möglichkeiten, eine Atombombe zu bauen. Dass der amerikanische Verteidigungsminister und hochrangige Regierungsvertreter Israels in diesem Zusammenhang davon überzeugt sind, dass Iran eine solche Bombe bauen will und das Zeitfenster, dies zu verhindern, immer kleiner werden, hat man woanders auch schon gelesen. Allzu gefährlich nahe rücken die bisherigen Veröffentlichungen der Partnerschaft zwischen den USA und Israel nicht auf den Leib (siehe auch Netanyahu: Israel will not stand at center of new WikiLeaks report).

Dafür rücken die Dokumente die arabische Seite in den Blick. Sie zeigen, wie deutlich sich Verteter von Saudiarabien, den Golfstaaten, Jordanien und Ägypten, also der sunnitische Block, gegen Iran ausgesprochen haben und wie vehement einige zumindest eine Zeitlang für eine militärische Option plädierten. Da der Ton in diesen Aussagen ziemlich unverblümt ist und diplomatische Weichmacher bei internen Papieren fehlen, dürfte auch manches Zitat für Verärgerung sorgen.

Der Schlange den Kopf abhauen

Der saudische König Abdullah wird mit der Erklärung zitiert, dass Iran böse sei ("May God prevent us from falling victim to their evil"), dass man dem Land nicht trauen kann, wovon auch der Premierminister Qatars überzeugt ist ("They lie to us, and we lie to them."). Auch Jordanien und Ägypten werden mit nicht weniger unfreundlichen Äußerungen Richtung Iran - "Lügner", "Dschihad-Unterstützer" - genannt.

Doch relevanter als solche Erklärungen, die es offensichtlich von arabischen Führern in Hülle und Fülle gibt, sind die Aufforderungen an die USA, Iran anzugreifen, die der Guardian aus den Dokumenten zitiert:

"The Saudi king was recorded as having "frequently exhorted the US to attack Iran to put an end to its nuclear weapons programme", one cable stated. "He told you [Americans] to cut off the head of the snake," the Saudi ambassador to Washington, Adel al-Jubeir said, according to a report on Abdullah's meeting with the US general David Petraeus in April 2008."

Dazu kommt, dass manche arabischen Staaten mit eigener nuklearer Aufrüstung drohen, falls Iran die Bombe baut. Zwar war davon schon vor diesen WikiLeaks-Enthüllungen die Rede. Aber diese Äußerungen stehen jetzt in einem dichten Kontext, der die Fronten klarer als zuvor heraushebt und auch, wie stark Obamas Politik auf Einschnürung Irans abzielt.