Wohin mit dem Urheberrecht?

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger redet an den wirklichen Problemen vorbei

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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht im Internet nicht nur eine Chance, sondern auch ein Risiko: das Risiko, dass vom Urheberrecht geschützte Werke in Massen weltweit verbreitet und vervielfältigt werden könnten. Mit dem "geradezu schwindelerregenden Tempo", mit dem die technische Entwicklung in der Vergangenheit vorangeschritten sei, hat das Urheberrecht nach der Ansicht von der Content-Industrie nicht mitgehalten. In ihrer Berliner Rede kündigte die liberale Ministerin an, das Urheberrecht "nachzubessern".

Die Rede der Ministerin jedoch enttäuscht. Neben allerlei Allgemeinplätzen über die Notwendigkeit, Schriftstellern, Musikern und anderen Kreativen "leistungsgerecht" zu entlohnen und der Ankündigung, mit Hilfe einer Deutschen Digitalen Bibliothek, die Ende 2011 als Pilotprojekt ins Netz gehen soll, für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, finden sich kaum konkrete Inhalte.

Abmahnungen - ein lukratives Geschäftsmodell

Dabei gäbe es viel zu tun: es ist kein Geheimnis mehr, dass Abmahnungen aufgrund von Urheberrechtsverstößen zu einem lukrativen Geschäftsfeld geworden sind, in dem Rechteinhaber und Anwälte schnelles Geld verdienen können. Firmen wie Logistep haben es sich zur Aufgabe gemacht, im Auftrag von Kunden beispielsweise in Peer-to-Peer-Netzen nach illegalen Up- und Downloads zu suchen, IP-Adressen zu protokollieren und die gefundenen Urheberrechtsverstöße mit Hilfe von "Partnerkanzleien" zu verfolgen.

Die dann folgende Abmahnung kann teuer werden, denn neben der obligatorischen Unterlassungserklärung werden Abmahngebühren zwischen 400 und 600 Euro fällig . Geld, das nicht jeder auf der hohen Kante hat. Die DigiProtect Gesellschaft zum Schutze digitaler Medien stellt beispielsweise für solche Fälle gleich ein Formular auf ihre Webseite, welches eine Kombination aus Schuldanerkenntnis und Antrag auf Ratenzahlung darstellt.

Mit "Aufwand und Ärger verbunden"

Wie Leutheusser-Schnarrenberger vor diesem Hintergrund auf die Idee kommt, dass das Abmahnwesen für "Rechteinhaber und deren Anwälte, die nur mit großem Aufwand an die Rechtsverletzer herankommen" mit "Aufwand und Ärger verbunden" seien, ist absolut unverständlich.

Vor Gericht seine Unschuld zu beweisen, ist schwer, die Richter schenken eher dem Kläger Glauben als dem vermeintlichen Rechtsbrecher, auch wenn an der Beweissicherheit der mittels Software gesammelten Daten zu den angeblichen Verstößen mittlerweile begründete Zweifel existieren - immerhin sind auch Fälle bekannt, in denen ein Zahlendreher in der IP einen falschen Verdacht auslöste. Es bleibt die Vermutung, dass die Ministerin vor diesem Problem ihre Augen verschließt - oder verschließen will?

Freie Journalisten

Doch auch die Rechteinhaber selbst scheint Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger vergessen zu haben. Immer wieder sind Verlage wie der Axel-Springer-Verlag, der Zeitverlag oder der Bauer-Verlag dadurch aufgefallen, dass sie ihren freien Journalisten unverhältnismäßig viele Rechte einforderten . Erst am 1. Juni konnte der Deutsche Journalistenverband vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den Zeitverlag erwirken.

Grund der Auseinandersetzung waren vertragliche Regelungen, die der Verlag mit seinen freien Autoren treffen wollte. Der Zeitverlag verlangte von ihnen die Abtretung aller Rechte aus künftigen und vergangenen Beiträgen, die für das Verlagshaus erstellt wurden, ein weltweites exklusives Nutzungsrecht für ein Jahr sowie einfache Nutzungsrechte für die Zeitdauer der gesetzlichen Schutzfrist - diese endet 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.

Damit wäre es den freien Mitarbeitern der Zeit innerhalb eines Jahres unmöglich, eine einmal an die Zeit verkaufte Reportage beispielsweise zusätzlich einem Magazin in Österreich anzubieten. Für die Übertragung der zusätzlichen Rechte an bereits verkauften Beiträgen bot die Zeit nicht einmal eine Vergütung an, diese seien bereits mit dem gezahlten Pauschalhonorar abgegolten.

Leistungsschutzrecht

Mit dem nun von Leutheusser-Schnarrenberger angekündigten Leistungsschutzrecht für Verlage könnte dieses Problem zu Lasten der Urheber journalistischer Texte noch verschärft werden. Denn dieses sieht laut einem Entwurf, vor, dass künftig "Presseerzeugnisse" geschützt werden sollen. Offen ist jedoch die Frage, wie das Leistungsschutzrecht vom Urheberrecht abgegrenzt werden soll.

Der Entwurf sieht vor, dass dem Verleger das ausschließliche Recht vorbehalten wird, "das Presseerzeugnis oder Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben". Sollte dieser Passus so Gesetz werden, könnte dies die Enteignung der Autoren bedeuten. Trotzdem erklärte es die Justizministerin zu ihrem Ziel, "die organisatorische und wirtschaftliche Leistung der Presseverleger besser schützen". Wie dies genau gehen soll, sei allerdings noch offen.