Vee haff wayz to make you feel stoopid
Dass der "Amokläufer" von Winnenden seine Tat vorher im Internet ankündigte, kam den Medien so gelegen, dass vor lauter zeitnaher Berichterstattung leider eines zu kurz kam: Recherche.
Ach ja, es hätte wirklich so einfach und so schön sein können. Jugendlicher, von der Freundin verlassen, spielt Counterstrike und kündigt einen "Amoklauf" im Internet an. Natürlich glaubt ihm keiner und es kommt zur Bluttat. Schon darüber lässt sich wunderbar berichten - inclusive "Alle News! Alle Infos! Alle Videos!". Fast lassen sich die Tränchen der Berichterstatter ob der Tatsache, dass niemand vor Ort war, erkennen.
Falls es Tim K. also tatsächlich um Berühmtheit ging: Glückwunsch, Junge - Du hast mal wieder bewiesen, wie einfach es ist, die Medien zu beherrschen. Wobei dies nicht wirklich eine Neuigkeit ist, Sex & Crime lassen sich schlichtweg besser verkaufen als Mitgefühl, Romantik oder Hilfeleistung.
Während also noch die Patronenhülsen gezählt, die "Ballerspiele" im Zimmer prompt in die nächste Pressemeldung aufgenommen werden (wann kommen eigentlich der Medienexperte Pfeifer oder der Dark Net-Experte Bert W.?), ergibt sich plötzlich der Hammerfund schlechthin für die Medienmacher, die wohl fürchteten, nicht zeitnah genug über jedes Gerücht, jede Spekulation und jede Vermutung berichten zu können.
Nun, besser geht es ja nicht mehr - sämtlichen Leuten, die sowieso momentan auf dem Netzkreuzzug sind, können jetzt also die Schlachtrösser satteln, die Lanzen des Jugendschutzes packen, oder die Studien über den Zusammenhang von Internet und Entfremdung, über rechtsfreie Räume usw. heraussuchen und haben Material für die nächsten drei Wochen.
Und die Zeitungen erst: ":: Keiner nahm Ankündigung des Amokläufers ernst titelt die Welt, "Tim K. kündigte Amoklauf im Chat an", ist bei der FAZ zu lesen, :: Amokläufer kündigte der (sic) Tat kurzzeitig im Internet an meldet die Süddeutsche, und auch die sonstigen Überschriften lassen Pietät oder Zurückhaltung vermissen, "Sechs Stunden um Tim K. zu stoppen" zum Beispiel.
Kein Wunder, dass bei all der hektischen Kreativität in den Redaktionen die Recherche aus Zeitgründen leider auf das Wochenende verschoben wurde. Jedenfalls fand sich keine Zeit, mal zu überprüfen, wo denn der Herr nun genau seinen "Amoklauf" angekündigt hatte, so schnell mussten die neuesten Erkenntnisse an die nach neuesten Enthüllungen lechzenden Zielgruppen gebracht werden.
Krautchan.net sah sich ob des ungewohnten Ansturms von Neugierigen dann auch gezwungen, ein Statement abzugeben. Für jene, die Krautchan.net nicht kennen: Dort plauscht man nicht nur über Gott und die Welt, dort werden auch Bilder abgelegt, über die dann diskutiert wird. Mit Photoshop, Gimp und Co. umzugehen ist also nichts Ungewöhnliches, im Gegenteil. Gerne werden also auch Fakes mit passenden Zitaten untermalt usw. usf. Und um eben eine solche Fälschung handelte es sich auch bei dem vermeintlichen "Letzten Gruß an die Amok-Freunde".
Dem Statement von Krautchan.net ist nicht viel hinzuzufügen:
Qualitätsjournalismus
Leider wird unser winziger Server mit dem momentanen Ansturm nicht fertig. Es gibt allerdings auch gar nichts zu sehen, da die deutsche Presse sich bedauerlicherweise (vermutlich nicht zum ersten Mal) von einer Fälschung hat täuschen lassen.