Anime, Manga... ach ja, das ist doch Kinderpornographie...

Außer Kontrolle

Der Versuch, Anime und Manga zu verbieten, ist in Japan gescheitert. Bei der Berichterstattung darüber wird daraus schon einmal: Japan bleibt Paradies für Kinderpornographie.

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Einer der unangenehmsten Teile der Debatte um Netzsperren war und ist, dass Politik und Medien zunehmend die Dokumentation sexueller Gewalt mit virtueller Kinderpornografie, Anime und Manga sowie dem wirklichkeitsnahen Geschehen in eine Schublade steckten. So entstand eine Art Kinderpornographiemix, der Folgen von "Sailor Moon", Posingphotos und die von Frau Vaudel hinlänglich bekannten Bilder von zerfetzten Säuglingen nicht mehr auseinanderdividierte, sondern im Gegenteil alles mit dem Begriff "Kinderpornographie" behaftete. Kritiker von Frau von der Leyen sowie den sonstigen Verfechtern von "Sperren und Löschen" bemühen sich meist vergeblich darum, in der Diskussion doch von der "Dokumentation sexueller Gewalt" zu sprechen, statt einfach einen Begriff für alles zu nutzen.

Für Länder, in denen Anime und Manga populär sind, ist dieses Zusammenwürfeln von Begriffen deshalb auch riskant weil sie befürchten müssen, von den Netzsperrenapologeten als "Symbolland" missbraucht zu werden - also als Land, in dem Kinderpornographie nicht geächtet wird. Umso bedauerlicher ist es, wenn das gescheiterte Verbot von Anime und Manga in Japan dann mit der Schlagzeile Kinderpornografie bleibt erlaubt bedacht wird. Nur weil unter anderem Anwalt Keiji Goto vom Forum gegen Kinderpornografie davon schwadroniert, dass derjenige, der Werke, in denen Vergewaltigungen von Kindern gezeigt werden, toleriert, auch Kinderpornographie toleriert, wird dies nicht wahrer. "Warum brauchen wir diese Vorschriften, obwohl niemand tatsächlich verletzt wird?", fragte die Zeichnerin Machiko Satonaka folgerichtig und stellt damit eine Frage, die auch hier während der Diskussion um die Netzsperren oft genug gestellt wurde, hieß es doch oft, es ginge um die Würde der Opfer von Kinderpornographie (unter anderem).

"Japan bleibt damit ein Paradies für Kinderpornografie." heißt es unheilsschwanger im Artikel und die erst zögerliche Haltung zu Netzsperren wird dann ebenso ins Feld geführt, um diese Behauptung zu untermauern, wie die Tatsache, dass in Japan zwar Weitergabe und Verkauf von Kinderpornographie, nicht jedoch der Besitz strafbar ist.

"Zwar haben sich die Nationalpolizei und neun Ministerien darauf verständigt, vermutlich ab nächstem Frühjahr Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten sofort nach ihrer Entdeckung zu blockieren. 2009 hatte die Polizei fast 4.500 Beschwerden über Kinderpornos im Internet erhalten. Doch den Besitz von Kinderpornos will die Regierung nach Informationen von Aktivisten nicht unter Strafe stellen. Bisher sind nur die Weitergabe und der Verkauf verboten. Japan ist damit neben Russland die Ausnahme unter den Industriestaaten."

Gerade, da die Diskussion um die Sperrung von Webseiten in die nächste Runde in Deutschland geht, wäre es sinnvoll, die Rechtslage in anderen Ländern dann auch hinsichtlich der Unterschiede zwischen der Dokumentation sexueller Gewalt und der virtuellen sexuellen Gewalt sowie "dem wirklichkeitsnahen Geschehen" zu betrachten. Die Entwicklung mit "Kinderpornographie bleibt erlaubt" zu beschreiben läuft jedenfalls an der Realität vorbei, es sei denn, man macht sich die Definition der Politik zu eigen. Das ist aber bei einer emotional aufgeladenen Diskussion wie zur Thematik "Kinderpornographie" nicht wirklich hilfreich.