Machtspiele um Wulff-Nachfolge

Die Liberalen mögen Töpfer und Huber nicht und bringen ausgerechnet Gauck ins Spiel

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Das Personenkarussel dreht sich im Hinblick auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Christian Wulff als Bundespräsident. Nicht nur Schwarz-Gelb hat es schwer, einen geeigneten Kandidaten zu finden, weil bei allem nach wie vor doch die Parteitaktik vorherrscht. Peinlich ist, dass der durch Bundeskanzlerin Merkel vollzogene Ausschluss der Linken bei der angeblich parteiübergreifenden Suche nach einem geeigneten Kandidaten weder bei den Grünen noch bei den Sozis auf großen Widerstand stößt. Es heißt zwar, es wäre richtig gewesen, auch die Linkspartei einzuladen, aber Hauptsache man ist selbst an der Kungelei beteiligt.

Dass die Liberalen, die in der Bevölkerung mit Umfragewerten von 2-3 Prozent praktisch keinen Rückhalt haben, besonders Panik haben, hier leer auszugehen, ist verständlich. Der Widerstand gegen Klaus Töpfer verrät, dass man bei den Liberalen Angst vor den Grünen als neuem Koalitionspartner der Union hat, vor allem aber auch, dass Umwelt- und Klimaschutz, vor allem die Umrüstung auf erneuerbare Energien keine Lobby mehr haben. Wenn die Liberalen gegen Wolfgang Huber, den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, ein Veto einlegen, dann nicht, weil er ihnen zu wenig liberal ist, sondern weil der konservative Kirchenmann angeblich eher eine Nähe zur SPD haben soll - oder vielleicht auch eher der Union passen könnte, um SPD und Grüne aufs Boot zu ziehen.

Einige der Wunschkandidaten der Union, Bundestagspräsident Lammert, Bundesinnenminister Maiziere oder auch Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, haben schon mal abgewunken. Noch kursieren Ursula von der Leyen oder Wolfgang Schäuble als mögliche Kandidaten, die aber wohl auch von der FDP nicht gerne gesehen werden und für Schwarz-Gelb nicht tragbar sein dürften. Genannt wurde auch die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth (CDU), oder der EU-Abgeordnete Hans-Gerd Pöttering (CDU), aber offenbar kann die Union nicht über ihren eigenen Schatten springen.

Unangenehm dürfte daher sein, dass von Seiten des FDP-Präsidiums perfiderweise Joachim Gauck ins Spiel gebracht wird, der als Kandidat von Rot-Grün gegen Wulff gescheitert war und für die Union nicht tragbar ist, weil seine Wahl hieße, mit der Durchsetzung von Wulff einen Fehler gemacht zu haben haben. Da hier Merkel sehr aktiv gewesen war, wäre ein Bundespräsident Gauck direkt eine Niederlage von Merkel.

Das wissen die Liberalen, weswegen der Vorschlag nur eine Strategie sein kann, der in der Koalition übermächtigen Union einen Fuß zu stellen, um stärker in die Auswahl eingebunden zu werden. Gauck hat zwar politische Nähen zu den Liberalen, was die Freiheit der Wirtschaft oder die Affirmation von Hartz-IV betrifft, ist aber politisch eher konservativ und würde wohl in gewisser Weise eine Kehre gegenüber der von Wulff vertretenen Integrationspolitik einleiten. Er erfreut sich weithin großer Beliebtheit und könnte von den Liberalen erneut, wie dies bei der letzten Wahl des Bundestagspräsidenten durch Rot-Grün geschehen ist, als bloßer Gegenkandidat gegenüber allen Vorschlägen seitens der Merkel-Union aufgebaut werden. Zu befürchten ist, dass sich Gauck erneut vor den Wagen spannen lassen könnte und er dann tatsächlich zum Bundespräsidenten werden könnte, obgleich er weiterhin nun von den Liberalen und notgedrungen auch von SPD und Grünen nur ein Gegenkandidat ist, weil man in den eigenen Reihen niemanden gefunden hat und über Parteigrenzen kaum hinausschauen kann.