Pentagon will Internet nach "verdächtigem Verhalten" durchsuchen

Als Reaktion auf den Amoklauf eines Insiders in Fort Hood und die Veröffentlichung geheimer Dokumente durch Wikileaks soll nun mit einer neuen Überwachungstechnik präventiv reagiert werden

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Was die frühere Bush-Regierung landes- oder auch weltweit sich gewünscht hat, will nun das Pentagon wenigstens für das US-Militär realisieren, nämlich die gesamte Kommunikation überwachen und durchsuchen, ob sich dort Zeichen für ein verdächtiges Verhalten finden lassen. Hintergrund ist, so gibt zumindest die Darpa, die Forschungsbehörde des Pnetagon, an, der Vorfall auf dem Militärstützpunkt Fort Hood, wo 2009 der islamische Armeepsychiater Nidal Malik Hasan in einem Amoklauf 13 Soldaten tötete und mehr als zwei Dutzend verletzte. Das Pentagon wünscht, aus der Durchsuchung der Kommunikation solchen Gefährdungen zuvorzukommen.

Der Versuch, mögliche Terroranschläge, Straftaten oder andere unerwünschte Aktionen durch Prävention anhand der Analyse von möglichst umfassend gesammelten Daten vorhersagen und präventiv verhindern zu können, ist seit den Anschlägen vom 11.9. eine beherrschende Dimension der US-Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sowie der entsprechenden Förderung von neuen Techniken geworden.

Jetzt hat die Darpa eine Ausschreibung vorgestellt, um verdächtiges Verhalten von Insidern in Kommunikationsdaten feststellen zu können. Gesucht wird eine Anomaly Detection at Multiple Scales (ADAMS), um die Spuren zu einer Tat, die man post festum feststellt, schon präventiv erkennen zu können. Das Problem dabei sei, dass man große Datenmengen habe und nicht wisse, nach was man in ihnen suchen soll, zudem sei unklar, was verdächtiges Verhalten ist. Das Problem also soll nun gelöst werden, indem man eine Technik entwickelt, die Anomalien entdeckt – und damit erst einmal Normalität konstituieren muss.

Wie üblich ist man bei der Darpa auch ziemlich anspruchsvoll. Es sollen nicht die bösen Außenseiter erkannt werden, sondern diejenigen Personen, denen man in einer sicheren Umgebung wie einem Stützpunkt Vertrauen entgegenbringt und die "Zugang zu wichtigen Informationen, Quellen und Informationssystemen" haben: "Der Fokus liegt auf böswilligen Insidern, die als "good gusy" begonnen haben." Unschwer wird man aus diesen Beschreibungen erkennen, dass man weniger den künftigen Amokläufer entdecken will, sondern vor allem die Whistleblower. Angeregt worden ist die Darpa sicher durch Wikileaks, um durch Früherkennung Sicherheitslöcher zu schließen, bevor Daten weitergegeben werden können. Aber explizit spricht man lieber von Nidal Malil Hasan, der seine Neigung zum Extremismus durch Postings im Internet und Emails vor der Tat deutlich gemacht habe, was man danach auf seinem Computer und seinen Email-Accounts habe erkennen können.

Darpa macht deutlich, dass schon die Überwachung aller Mitarbeiter in Fort Hood riesige Datenberge hervorbringen würde. Würde man jeden der 65.000 Mitarbeiter als Knoten und die Kommunikation zwischen ihnen als Verbindungen darstellen, dann würde jährlich ein Graph entstehen, der etwa 4.680.000.000 Verbindungen zwischen 14.950.000 Knoten bestünde: "Es gibt gegenwärtig", so heißt es von der Darpa, "noch keine etablierten Techniken, um Anomalien in Datenmengen dieser Größe mit akzeptablen falsch positiven Ergebnissen zu entdecken."

Bei aller gewünschten "Aufklärung" spielt dabei Datenschutz selbstverständlich keine Rolle, obgleich mit der Überwachung eben auch die Kommunikation mit vielen Menschen ins Visier gerät, die mit dem Pentagon nichts zu tun haben. Während hier lückenlose Transparenz begehrt wird, sollen paradoxerweise nach außen, siehe Wikileaks, die Mauern ebenso lückenlos dicht sein.