Vorratsdatenspeicherung gegen den "Enkeltrick" - wieso eigentlich?

Außer Kontrolle

Irgendeine Begründung für die Vorratsdatenspeicherung muss es ja geben. Auch wenn sie unsinnig ist

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Bereits 2010 musste der sogenannte Enkeltrick dafür herhalten, die Vorratsdatenspeicherung zu begründen. Niedersachsens Justiz- und Innenminister waren es 2010, die meinten, dass der Enkeltrick durch straff organisierte Banden durchgeführt werden würde und daher die VDS unbedingt notwendig sei.

Worum es sich bei dem Enkeltrick handelt und wieso er laut dem Urteil des BVerfG nicht zu jenen Straftaten gehört, die mittels VDS aufgeklärt werden sollten, lässt sich im folgenden Beitrag nachlesen: Der Enkeltrick oder welches Rechtsgut hätten´s denn gerne? (Anmerkung: dieser Absatz wurde nachträglich eingefügt.)

Nachdem es in Baden-Würtemberg zu 276 gemeldeten Fällen des Enkeltricks kam, muss also der Trickbetrug erneut als Argument dienen, wobei sich die Frage stellt, inwiefern das Innenministerium, das hier auf die Fragen der SPD-Fraktion antwortete, entlarvende Informationen über die Speicherpraxis der Provider weitergibt oder schlichtweg Nebelkerzen zündet.

Warum wird eigentlich gespeichert, wer mich anruft?

So wird zwar auf die Tatsache hingewiesen, dass sich die Betrüger anonym oder unter falschem Namen gekaufter Prepaidhandies bedienen oder vom Ausland aus agieren, aber gleichermaßen wird auch auf die durch den Wegfall der VDS fehlenden Daten abgehoben. Dabei erklärt das Innenministerium, dass oft keine Daten mehr gespeichert sind bzw. bereits wieder gelöscht wurden oder aber die letzten Ziffern der Rufnummern durch XXX ersetzt wurden.

Hierbei geht es keinesfalls um die Daten des zuerst angerufenen Menschen, also des Opfers , sondern um die Anruferdaten des Täters. Die Frage ist also, wieso überhaupt Provider die für die Abrechnung nicht notwendigen Daten des Anrufers speichern. Da die VDS derzeit nicht anhängig ist, fällt sie als Begründung weg, Daten dürften also nur gespeichert werden, sofern sie für die Abrechnung notwendig sind. Aber für welche Abrechnung sollte es notwendig sein zu speichern, wer angerufen hat. Und warum sollten diese Daten, so sie tatsächlich gespeichert werden, verkürzt werden? Eine Anonymisierung der Telefondaten, die vom Anschlussinhaber selbst gewählt werden, ergibt einen Sinn, da auf diese Weise gewährleistet wird, dass ein Anruf z.B. bei der Telefonseelsorge nicht sofort für jeden, der die Rechnung einsehen kann, erkennbar ist.

"Den Ermittlungsbehörden ist es im Regelfall auch nicht möglich, vorab zu beurteilen, ob (noch) Daten vorhanden sind. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist kurz nach dem Telekommunikationsvorgang noch am größten. Zeitnahe Abfragen nach der Tat sind daher erforderlich. Diese sind aber oft nicht möglich, weil die vielfach betagten Opfer sich nicht sofort nach der Tat an die Strafverfolgungsbehörden wenden", heißt es weiter in der Stellungnahme und es bleibt offen, inwiefern dann eine sechsmonatige Speicherung der entsprechenden Daten hier weiterhelfen könnte, da nicht aufgeschlüsselt ist, wie viel Zeit normalerweise zwischen Tat und Tatmeldung durchschnittlich vergeht.

Mit dem Wegfall der VDS sank die Aufklärungsquote? Mitnichten

Anzumerken ist auch, dass die Aufklärungsquote sich seit 2008 in Baden-Würtemberg stetig verbesserte. Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2010 die bisherige Vorratsdatenspeicherungsregelung für nichtig erklärt.

Das Gesetz zur VDS war erst im November 2007 verabschiedet worden und wurde am 26.12.2007 vom Bundespräsidenten unterzeichnet, es trat durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 31.12.2007 in Kraft. Doch 2007 hatte Baden-Würtemberg in Bezug auf den Enkeltrick bei 95 angezeigten Fällen eine Aufklärungsquote von 45,3%, ganz ohne Vorratsdatenspeicherung, wohingehen im Jahr 2008, während die VDS von den Providern ausgeführt wurde, die Aufklärungsquote rapide auf 9,2% sank, wobei die Fallzahl gleichzeitig auf 65 sank. So also die VDS so wichtig für die Aufklärung ist, stellt sich die Frage, wieso gerade in dem Jahr, in dem sie angewandt wurde, die Aufklärungsquote so stark sank.

2009 stieg die Fallzahl auf 143 an, die Aufklärungsquote stieg jedoch nur schleppend an – auf zunächst 17,5%, im Jahr 2010 immerhin auf 28,0%, während in diesem Jahr die Fallzahlen anstiegen auf 311 gemeldete Fälle. Nachdem also im März 2010 die VDS wieder ad acta gelegt wurde, wäre ein Anstieg der Fallzahlen und ein Sinken der Aufklärungsquote zu erwarten gewesen, würde die Argumentation der Minister greifen. Doch stattdessen sank die Anzahl der Fälle von 311 auf 276, während die Aufklärungsquote von 28,0% auf 33,3% stieg.

Angesprochen auf andere Möglichkeiten, dem Trickbetrug beizukommen, heißt es: "... Exemplarisch hierfür ist ein Ermittlungsverfahren wegen organisierten Enkeltrickbetrugs der Landespolizeidirektion Karlsruhe. In diesem wurden neben einer Ermittlungskooperation mit dem Bundeskriminalamt und der Polizeihauptkommandantur in Warschau/Polen weitere Kooperationen mit Dienststellen anderer Bundesländer unter Einbindung und Koordinierung durch das Landeskriminalamt Baden Württemberg vereinbart. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde im Februar 2011 eine 'Internationale Tagung Enkeltrickbetrug' mit Teilnehmern von Polizei und Staatsanwaltschaften aus Polen, der Schweiz, Österreich sowie den Bundesländern Hamburg, Berlin, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ausgerichtet. Ziel der Besprechung war die Abstimmung von Ermittlungskonzeptionen sowie die Übernahme von Strafverfahren, um gegen die reisenden Tätergruppierungen konzertiert vorgehen zu können. Durch die Kooperationen gelang es, bundesweit 303 Fälle des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zum Nachteil älterer Menschen mit einem Schaden von ca. 2,1 Millionen Euro aufzuklären."

Wieder ist anzumerken, dass diese Kooperation nach dem Wegfall der VDS stattfand, somit also allem Anschein nach Möglichkeiten zur Aufklärung der Straftaten nicht nur vorhanden sind, sondern auch umfangeich genutzt werden.