BGH zur Provider-Haftung für Trollblogger

Begründung zum Urteil über die Verantwortlichkeit eines Blog-Hosters

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die Urteilsbegründung zu seinen Ende Oktober aufgestellten Richtlinien zur Haftung von Bloghostern veröffentlicht. Auf dem inzwischen zu Google gehörenden Dienst „Blogger.com“ hatte sich ein anonymer Blogger unflätig über einen Geschäftsmann geäußert, der daraufhin den in den USA ansässigen Konzern auf Unterlassung in Anspruch nahm.

Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit (nord-)deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wenn die fraglichen Inhalte hinreichenden Inlandsbezug aufweisen.

Die Beklagte trifft dem BGH zufolge hinsichtlich des vom Kläger beanstandeten Eintrags nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil sie ihn weder verfasst noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht hat. Sie kann lediglich als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie die technischen Möglichkeiten des Blogs zur Verfügung gestellt hat. Eine anlasslose Überprüfung von Blogger Generated Content ist nicht geboten, vielmehr haftet die Beklagte erst ab Kenntnis eines fragwürdigen Blogeintrags. Doch die Kenntnis alleine reicht nicht:

„Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.“

Der BGH hält es für zunächst ausreichend, die Beanstandung des Betroffenen an den für das Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine solche aus oder überzeugt sie nicht, so ist zu löschen.

Anbieter von Webspace für Blogger sind damit also - im Gegensatz zum scharfen Konzept der Forenhaftung - nicht zur sofortigen Löschung zweifelhafter Beiträge ab Kenntnis verpflichtet, sondern müssen selbst quasi „Gericht spielen“ und die Meinungen der Parteien anhören. Anders als Postings von Forentrollen müssen also solche von Trollbloggern nicht sofort gelöscht werden, sondern erst nach einem mitunter langwierigen Verfahren.

Der VI. Senat des BGH hat damit einmal mehr seine Wertschätzung für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zum Ausdruck gebracht. Wird jedoch jemand durch einen anonymen Blogger denunziert, werden unberechtigt Privat- oder Dienstgeheimnisse veröffentlicht oder Unwahrheiten verbreitet, so müssen Betroffene aufgrund der nun statuierten Obliegenheiten die Rechtsverletzung mitunter über mehrere Wochen und Monate hinnehmen, bis sich die Verantwortlichen bei Blogger.com eine Meinung gebildet haben. Aufgrund der Ende Oktober veröffentlichten Leitsätze des Urteils kam es zwischenzeitlich zu einem Ansturm Betroffener, der die Bearbeitung aktueller Fälle verzögern wird.