Täglich werden 10-14 Millionen Bilder von Fahrzeugen gespeichert

In Großbritannien wird die Vorratsdatenspeicherung auch mit der Überwachung und Bewegungsprofilen von Autofahrern ergänzt

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Zwischen 10 und 14 Millionen Bilder von Überwachungskameras an Straßen werden von der britischen Polizei im Rahmen des APRN-Programms (automatic number plate recognition) täglich gespeichert. Die Bilder werden mindestens zwei Jahre vorgehalten. Aber erfasst werden oft nicht nur die KFZ-Kennzeichen, sondern auch die Gesichter von Fahrer und Begleitperson, wie aus Dokumenten der Polizei hervorgeht, so die britische Times. Alles ohne rechtliche Grundlage und ohne Wissen und Erlaubnis der Fahrer.

Zweck der Überwachung ist, wie die Polizei sagt, den Kriminellen die Benutzung der Straßen zu verwehren ( Jedes Fahrzeug wird identifiziert). Frank Whiteley, Polizeichef von Hertfordshire und der Vorsitzende des Acpo-Ausschusses, erklärte zur ANPR-Einführung: "Jedes Mal, wenn Sie mit dem Auto fahren, werden sie jetzt schon irgendwo von einer Überwachungskamera erfasst. Der Unterschied in Zukunft ist, dass auch die Nummernschilder gelesen werden." Interessant an der Speicherung ist, so Whiteley, dass man auch erkennen kann, "wo ein Fahrzeug in der Vergangenheit war und wo es jetzt ist, ob es an einem bestimmten Ort war und welche Wege zu oder von Tatorten genommen wurden".

Eingeführt wurde das nationale Überwachungssystem 2006, zu dem mehr als 10.000 Kameras an Autobahnen, Straßen und Tankstellen gehören. Die routinemäßige Massenüberwachung aller Autofahrer schafft eine neue Vorratsdatenspeicherbank. Mit ihr lassen sich natürlich auch vergangene Fahrten mit einem Fahrzeug zurückverfolgen. Angeblich sei es möglich, bis zu 100 Millionen Fahrzeuge gleichzeitig zu erfassen. Wird ein gesuchtes Fahrzeug entdeckt, gibt das System eine Warnung, so dass die Polizei den Verdächtigen anhalten kann.

Mit dem System wurde die Zahl der Festnahmen von Verdächtigen, die wegen Diebstahls, Raubs oder Drogendelikten gesucht werden oder Verkehrsdelikte begangen haben, ebenso erhöht wie die Sicherstellung von gestohlenen Fahrzeugen. Terroristen wurden damit noch keine gefasst, aber mit dem System konnte die Polizei nach den versuchten Anschlägen in London 2007 den Weg der Fahrzeuge nachträglich rekonstruieren. Der Erfolg diente zur Legitimation des weiteren Ausbaus.

Das Prinzip ist wie bei der Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten die Massenüberwachung aller Menschen, um daraus anhand von bestimmten Kriterien Verdächtige herauszufischen. Damit werden aber auch alle Menschen erst einmal in Umkehr des rechtsstaatlichen Prinzips unter Generalverdacht gestellt. Das kann natürlich auch, wie in allen solchen Fällen, eben deswegen auch völlig Unschuldige in Verdacht bringen, weil sie sich in einem falschen Auto oder an einer falschen Stelle aufgehalten haben. Kriminelle sollen das System unterlaufen, indem sie KFZ-Kennzeichen von anderen Autos desselben Typs verwenden ( car cloning, so dass bei einer automatischen Erkennung der Besitzer dieses Fahrzeugs in Verdacht gerät.

Die Bürgerrechtsorganisation Liberty sieht in der Massenüberwachung Verkehrs einen Versoß gegen das Menschenrechtsgesetz und plant eine Klage. Shami Chakrabarti, die Direktorin von Liberty, moniert, dass nicht Bilder und Bewegungsprofile von Millionen unschuldiger Autofahrer erfasst und für Jahre gespeichert werden, sondern dass es sich um eine Missachtung des Parlaments, des Datenschutzes und des Gesetzes handelt, wenn die Polizei dies ohne rechtliche Grundlage macht. Liberty sucht nach einem Autofahrer, der in die Fänge des Systems ohne Schuld geraten ist, um einen Präzedenzfall für das Gericht zu haben. In diesem Sinne war der Fall des 80jährigen Rentners John Catt bekannt geworden, der mit seiner Tochter in London von der Polizei gestoppt wurde. Auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes wurde das Fahrzeug durchsucht, die Polizei drohte überdies mit einer Festnahme, wenn die beiden nicht die ihnen gestellten Fragen beantworteten. Später stellte sich heraus, dass das Fahrzeug von der Polizei gekennzeichnet wurde, nachdem es in der Nähe einer genehmigten und friedlichen Demonstration gegen den Waffenhandel entdeckt worden war, an der die beiden teilgenommen hatten. "Protest" ist einer der Gründe, die die Polizei berichtigen, Autos durch die Aufnahme ihrer Kennzeichen in die Datenbank zu markieren.