Explosive und tödliche Polio-Epidemie im Kongo

Eigentlich sollte Polio 2000 ausgerottet sein, jetzt scheint ein gefährlicher Virus im Umlauf zu sein

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Im Kongo ist eine Kinderlähmungs- oder Polio-Epidemie ausgebrochen, die tödlich ist. Normalerweise betrifft Polio Kinder unter 5 Jahren und führt bei einem von 200 infizierten Kindern zu Lähmungen, so die WHO. Die Todesrate liegt zwischen 5 und 10 Prozent. Aber im Kongo sind 42 Prozent der Infizierten gestorben. Und es handelt sich nicht um Kinder, sondern meist um Männer zwischen 15 und 25 Jahren, vor allem in der Hafenstadt Pointe Noire. Neue Infektionen werden kontinuierlich berichtet.

Eigentlich wollte die Weltgemeinschaft Polio ausrotten. Der Beschluss wurde 1988 gefasst, nachdem 1980 bereits die Pocken ausgerottet wurden und man noch immer glaubte, man könne Infektionskrankheiten durch Impfungen ganz auslöschen. Die WHO berichtet, dass Polio zu 99 Prozent ausgerottet sei und nur noch in Afghanistan, Pakistan, Nigeria und Indien existiere.

Aber jetzt scheint die Erfolgsgeschichte abgebrochen zu sein. Im Kongo hat es bereits durch den wilden Poliovirus Typ 1 179 Tote gegeben, Stand: 7. Dezember nach der WHO. Vermutlich stammt der Virus aus Angola, vorher aus Indien, in der Republik Kongo wurde die letzte Polio-Infektion im Jahr 2000 registriert, seitdem galt durch die Impfkampagne Polio im Land als ausgerottet, auch wenn es in Angola und der Demokratischen Republik Kongo zu weiteren Erkrankungen kam. Der jetzige Ausbruch sei explosiv und ungewöhnlich, weil die Infizierten älter als normal sind und vor allem, weil die Letalität ungewöhnlich hoch ist. Man könne die Epidemie aber leicht stoppen, sagt die WHO, wenn man die nötigen Mittel für Impfungen habe.

Allerdings, so zitiert Science den Polio-Experten Neal Nathanson von der University of Pennsylvania, gebe es in diesem Fall einfach zu viele Dinge, die man nicht erwarten würde. Auch Mark Pallansch von den U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigt sich beunruhigt, weil man Polio als nicht mehr besonders gefährlich betrachtet habe. In Indien und Angola sei der Virus wie üblich aufgetreten und habe wie üblich nur Kinder infiziert. Warum er nun so unterschiedlich in der Republik Kongo ist, weiß man nicht. Möglicherweise gab es in der Hafenstadt aufgrund politischer Instabilität eine Unterbrechung der Impfkampagne. Aber das würde noch nicht erklären, warum vor allem Männer infiziert werden und warum der Virus nun so tödlich ist. Eine Erklärung könnte eine andere Krankheit sein, die die Opfer schwächt. Möglich wäre aber auch, dass es eine weitaus größere Epidemie gibt, aber dass nur die schweren Fälle registriert wurden.

Wie Science berichtet, breitet sich das Polio-Virus bereits aus. Auch in der Hauptstadt Brazzaville, 650 km von Pointe-Noire entfernt, gab es erste Fälle, auch in Angola und in der Demokratischen Republik Kongo. Und es könnte sein, dass der Hoffnungen auf Ausrottung zum Trotz neue Polioviren auch anderswo zu explosiven Epidemien führen können. Schon vor Jahren wurde der WHO-Plan kritisiert. Nicht nur im Hinblick auf Polio wird gerade wieder darüber diskutiert, berichtet ebenfalls Science, ob es weiterhin sinnvoll sein kann, davon zu sprechen, dass man Infektionskrankheiten weltweit ausrotten kann. Vielleicht sollte man bescheidener von eliminieren sprechen.