Ausnahmezustand im spanischen Luftverkehr

Spanien bedroht Fluglotsen mit hohen Haftstrafen nach dem Militärrecht, während der Luftraum weiter geschlossen ist

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Seit Jahren tobt ein Streit zwischen den Fluglotsen und der spanischen Regierung. Doch nun ist der Konflikt eskaliert. Gestern musste der Luftraum in Spanien geschlossen werden, weil die Fluglotsen nicht mehr arbeiten. Hunderttausende hängen seither auf Flughäfen fest und der Reiseverkehr ist in diesen Tagen besonders stark, weil Montag und Mittwoch Feiertage sind. Was von der Regierung als wilder Streik bezeichnet wird, ist aber nicht so einfach einzuordnen.

Erneut greift eine Regierung, die sich als "sozialistisch" bezeichnet, zu sehr zweifelhaften Mitteln, weil sie unfähig war, diesen Konflikt in vielen Jahren zu lösen. Wieder, wie im Fall der Arbeitsmarktreform, nutzte Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero ein Dekret. Diesmal ging er in der Nacht sogar soweit, die Kontrolle des Luftraums dem Stabschef der Luftwaffe übertragen. Nun wurden die Fluglotsen unter der Aufsicht des Militärs zwangsverpflichtet und ihnen drohen nach Militärrecht bis zu acht Jahre Haft wegen "Aufruhr", wenn sie nicht wieder zu arbeiten beginnen. Doch auch das hat bisher nicht dazu geführt, dass sich die Lage verändert. Die Regierung droht nun, den "Alarmzustand" auszurufen. Das wäre das erste Mal seit dem Ende der Diktatur. Dann droht die sofortige Verhaftung der Fluglotsen. Ist es das, wovor der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, vor Gewerkschaftsführern im Juni warnte? Er erklärte, dass Länder im Süden Europas in "ihrer demokratischen Gestaltung, wie wir sie derzeit kennen, verschwinden könnten".

Was der Ministerpräsident als wilden Streik bezeichnet, sieht nur auf den ersten Blick so aus. Tatsächlich ist der Konflikt nicht so einfach einzuordnen. Hintergrund ist, dass Zapatero im Frühjahr per Dekret die Arbeitsbeziehung einseitig regeln wollte. Und an den Lotsen zeigte sich früh der autokratische Zug einer Regierung, die mit den Problemen im Land ganz offensichtlich völlig überfordert ist. Inzwischen tanzt sie vollständig nach der Pfeife der Unternehmer und Finanzmärkte und bringt einen Flicken nach dem anderen an, ohne Probleme zu lösen. So sollten per Dekret die Arbeitszeiten der Beschäftigten der staatlichen Flughafenbetreibergesellschaft (AENA) von 1200 auf mehr als 1700 Stunden pro Jahr heraufgesetzt und die Ruhephasen gekürzt werden. Doch angesichts des für August angekündigten Streiks der Fluglotsen, für den sich 98% ausgesprochen hatten, kehrten AENA und die Regierung wieder an den Verhandlungstisch zurück, um einen Streik mitten im Urlaubssommer abzuwenden.

Die Abmachungen, die zur Aussetzung des Streiks führten, wurden aber von der Regierung nicht eingehalten, weshalb sich der Konflikt im Herbst wieder zuspitzte. Die 47 zusätzlichen Stellen, die den Lotsen am 13. August zugesichert wurden, sind nie besetzt worden. Die Lotsen brachen deshalb weitere Verhandlungen im Oktober ab und warfen AENA "Nachlässigkeit, Ineffizienz und Unwirksamkeit" vor. Nun stellt sich die Lage nach Angabe der Lotsen so dar, dass sie ihre Maximalarbeitszeit für dieses Jahr längst überschritten haben. Nach ihren Arbeitsverträgen müssten sie also 2010 gar nicht mehr arbeiten und deshalb handele es sich auch nicht um einen Streik.

Zusätzlich muss noch angeführt werden, dass die Regierung die Teilprivatisierung von AENA, konkret der Flughäfen in Madrid und Barcelona ankündigte. Weil auch die übrigen Beschäftigten nun eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erwarten, wurden Streiks zu Weihnachten angekündigt haben. Mit weiteren Behinderungen im Flugverkehr ist also zu rechnen. Die Frage ist, ob die Regierung dann auch diesen und andere Streiks militärisch auflösen will. Schließlich steuert das Land, weil nun alles auch auf eine baldige Anhebung des Renteneintrittshalters per Dekret hindeutet, erneut auf einen Generalstreik zu. Das Bild, das Spanien derzeit abgibt, ist fatal. Es dürfte viele Investoren in der Annahme bestätigen, dass der Absturz in die Pleite nach Griechenland und Irland wohl kaum abzuwenden ist. Schließlich führen derlei Konflikte zu massiven Einbrüchen im Tourismussektor, der nach dem Zusammenbruch der Baubranche besonders bedeutsam ist.

Update: Inzwischen hat die spanische Regierung erstmals seit dem Ende der Diktatur 1975 den "Alarmzustand" tatsächlich ausgerufen. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba teilte am Mittag mit, dass die Fluglotsen nun zwangsverpflichtet werden und dem Militärrecht unterstellt sind. Sollten sie der Anordnung zur Wiederaufnahme der Arbeit nicht Folge leisten, können die Lotsen wegen Befehlsverweigerung in Schnellverfahren nach militärischem Recht zu langjährigen Haftstrafen abgeurteilt. Trotzdem dürfte sich die Lage noch Tage nicht normalisieren. Insgesamt 10 Fluglinien haben in Madrid alle Flüge für Samstag gecancelt.