Syrien: Salafisten entführten angeblich 700 Kurden

Türkische Polizei findet bei al-Nusra-Front-Mitgliedern das Nervengas Sarin

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Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien werden große Teile der kurdisch besiedelten Gebiete im Norden des Landes von der Yekîneyên Parastina Gel (YPG) gehalten, dem bewaffneten Arm der oppositionellen Kurdenpartei Partiya Yekitîya Demokrat (PYD). Diese Miliz versucht sowohl Distanz zur Assad-Regierung, als auch zu den sunnitisch-arabischen Rebellengruppen zu wahren. Seit November 2012 kommt es jedoch immer wieder zu Gefechten zwischen der YPG und salafistischen Brigaden, die die Kurdenmilizionäre als gottlose Kommunisten schmähen.

Die der PYD nahestehende Nachrichtenagentur Hawarnews behauptet nun, die salafistische al-Tevhid-Brigade habe am 27. Mai bei Dartize etwa 700 unbewaffnete kurdische Zivilisten entführt, die auf dem Weg aus der umkämpften Millionenmetropole Aleppo in die kurdisch kontrollierte Stadt Afrin waren. Da die al-Tevhid-Brigade auf Kontakt mit westlichen Medien verzichtet, lässt sich schwer einschätzen, ob die Meldung tatsächlich zutrifft und ob die hohe Zahl der Entführten stimmt.

Harwanews zufolge werden die entführten Zivilisten in Marei gefangen gehalten, einem von der al-Tevhid-Brigade gehaltenen Vorort von Aleppo. Angeblich hat man sie in Kellern eingeschlossen, wo sie Hunger und Durst leiden und gefoltert werden. Zum Zahlenverhältnis von Männern und Frauen macht man keine Angaben. Zweck der Entführung soll sein, die Entführten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Andere plausible Möglichkeiten wären, dass die Salafisten die YPG durch die Entführung von potenziellen Rekruten abschneiden oder militärische Zugeständnisse erpressen wollen.

Al-Tevhid ist nämlich ebenso wie die Brigaden al-Fatih, Selahaddin, Yusuf-ul Azme und Devlul Islamiye seit 24. Mai an Panzerangriffen auf die Stadt Afrin beteiligt, die strategisch bedeutsam ist, weil sie zwischen Aleppo und der türkischen Grenze liegt. Seit dem 26. Mai wird auch in der im östlichen syrischen Kurdengebiet gelegenen Grenzstadt Ras al-Ain (kurdisch: Serê Kaniyê) und im Dorf Dorf Til Xelaf wieder gekämpft. Hier versucht die salafistische al-Nusra-Front der YPG das Gebiet abzunehmen.

Türkischen Medienberichten zufolge fand die Polizei in den südtürkischen Provinzen Adana and Mersin während Hausdurchsuchungen bei sieben Mitgliedern dieser al-Nusra-Front am Mittwoch nicht nur zahlreiche Schusswaffen und Granaten, sondern auch zwei Kilogramm des Nervengases Sarin. Der Fund befeuert die unter anderem von UN-Sonderermittlerin Carla del Ponte angestellten Mutmaßungen, dass salafistische Rebellen diesen Kampfstoff einsetzen.