Autoindustrie: Die kommende Krise

In der Branche knistert es reichlich im Gebälk, die Frage ist eigentlich nur, wann es zu krachen beginnt

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Der deutsche Automarkt scheine sich im freien Fall zu befinden, zitiert das Springer-Blatt Welt einen Branchenanalysten. Im Euro-Raum sei die Zahl der Neuzulassungen im ersten Quartal 2013 auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren, hierzulande falle der Rückgang besonders krass aus.

Dabei ist bezeichnend, dass vor allem der Verkauf kleinerer Wagen zurück geht. Die Marken Porsche und Mercedes-Benz verzeichnen hingegen ein leichtes Plus. Daimler muss sich nur um seinen Kleinwagen Smart Sorgen machen, der im März einen Umsatzrückgang von 16 Prozent erlebte.

Alles in allem offensichtlich keine vorübergehende Delle, wenn man den düsteren Worten des Fiat- und Chryler Vorstands Sergio Marchionne glaubt. Der erwartet für seinen Konzern auf den anderen Kontinenten Wachstum, aber in Europa "im sechsten Jahr in Folge" einen Rückgang des Absatzes.

Diese regionalen Unterschiede sprechen eher dagegen, dass die Gründe für die zurückgehenden Verkäufe vor allem in einem steigenden Umweltbewusstsein oder bei den anhaltend hohen Kraftstoffpreisen zu suchen sind. Eher sieht es danach aus, als müssten viele Verbraucher den Gürtel enger schnallen und sich große Anschaffungen verkneifen

Dabei zeigen die auffallenden Unterschiede zwischen den Marken, dass am oberen Ende der hiesigen Gesellschaften offensichtlich eine ganz andere Stimmung herrscht. Dort schöpft man weiter aus dem Vollen und dort kümmert man sich – nebenbei bemerkt – ziemlich wenig um Umwelt, Klimawandel, drohende Energiekrise etc., wie die Beliebtheit der verschwenderischen Luxusmarken und der SUVs zeigt.

Und was folgt aus diesem "freien Fall" politisch und ökonomisch? Eines ist klar: Es geht nicht um irgendeine Branche, sondern die Autoindustrie ist Kernbestandteil des deutschen Kapitalismus, ganz wie dereinst Stahl und Kohle. In ihr sind seit mehreren Jahrzehnten wesentliche Teile des hiesigen Kapitals konzentriert und entsprechend gruppiert sich um sie ein Teil der dominierenden politökonomischen Eliten.

Einige Zahlen, um dies zu verdeutlichen: VW war im letzten Jahr auf der Forbes-Liste der weltweit größten Unternehmen der größte hiesige Konzern. Mit einem Gewinn von 21,5 Milliarden US-Dollar und einem Marktwert von 79,5 Milliarden US-Dollar landete er auf Platz 17, noch vor Toyota oder Ford, von GM gar nicht zu reden. Als nächster deutscher Konzern folgte auf Platz 37 die Daimler AG (7,3 Milliarden US-Dollar Gewinn, 66,3 Milliarden US-Dollar Marktwert). Die nächstplatzierten deutschen Konzerne waren Allianz (3,3 und 56,3 Milliarden US-Dollar), Siemens (8,2 und 92 Milliarden US-Dollar) und Deutsche Bank (5,4 und 47,3 Milliarden US-Dollar). In das Ranking auf der Liste gehen neben den beiden genannten Kennzahlen auch Umsatz und Anlagevermögen ein.

Kurzfristig ist die spannende Frage, ob Angela Merkel, die Meisterin im Aussitzen, die Krise noch bis zu den Bundestagswahlen im September unter der Decke halten kann. Zuzutrauen wäre es ihr. Wütende Automobilarbeiter würden sich nicht besonders gut machen. Vermutlich wird sie wieder einige teure Trostpflaster zur Hand haben, die Belegschaften ruhig stellen, aber zur notwendigen industriellen und zur dauerhaften Absicherung der Beschäftigten nichts beitragen.

Langfristig stellt sich hingegen die Frage nach dem Danach. Wird in diesem Land endlich mal ernsthaft über Alternativen zur Autogesellschaft nachgedacht? Wird vielleicht die Mobilität endlich mal als Grundbedürfnis, statt nur als Privileg der Autobenutzer wahrgenommen? Wie es aussieht, steht die Gesellschaft nicht nur in der Energie-, sondern auch in der Verkehrspolitik vor großen Herausforderungen und Umbrüchen.

(Siehe auch Autoland ist abgebrannt.)