Spanien verhandelt über umfassende Rettung

Dem Dementi der EU-Kommission wird in Spanien keine Bedeutung beigemessen

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"Es gibt keine Verhandlungen" über die mit Spanien vereinbarte Bankenrettung hinaus, sagte der EU-Kommissionssprecher Simon O'Connor am Freitag in Brüssel. Er dementierte übereinstimmende Berichte der Nachrichtenagenturen Reuters und Europa Press vom Donnerstag. Sie hatten mit Bezug auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, Spanien handele schon konkrete Bedingungen für eine umfassendere Rettung mit Brüssel aus. Sie soll über die Rettung mit einer Summe von 100 Milliarden Euro hinausgehen, die Spanien zur Stützung maroder Banken beantragt hat.

"Wir haben keinen Antrag ein andere Art finanzieller Hilfe erhalten und wir erwarten auch kurzfristig keinen", fügte O'Connor an. Man konzentriere sich lediglich auf die Umsetzung des Bankenrettungsprogramms. Dabei bestätigte er aber, dass es "offensichtlich Aktivitäten an einigen Fronten" gäbe.

Tatsächlich hatte niemand behauptet, dass Spanien schon ein Antrag gestellt habe. Bekräftigt wurde in den Berichten sogar, es sei noch keine Entscheidung gefallen, aber es werde schon seit Wochen verhandelt. Vor dem 12. September soll ohnehin nichts passieren, denn dann wird das deutsche Verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirms (ESM) entscheiden. Aus dem ESM müssten Gelder fließen, da der temporäre Rettungsschirm (EFSF) über die Bankenrettung hinaus mit einer umfassenderen Spanien-Hilfe überfordert wäre.

Erteilt Karlsruhe dem ESM einen Segen, wird mit einem Rettungsantrag gerechnet, den die EU-Finanzminister bei ihren Sitzungen am 14. und 15. September diskutieren könnten. Klar ist, dass Spanien allein im Oktober zwei langfristige Staatsanleihen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 20 Milliarden Euro refinanzieren muss. Zudem braucht das Land Milliarden, für einen nationalen Rettungsfonds, mit dem der Zentralstaat Pleiteregionen auffangen muss. Er soll mit 18 Milliarden Euro ausgestattet werden, wobei bezweifelt wird, ob diese Summe ausreicht.

Wie die Wirtschaftszeitung "El Economista" geht man im Land allgemein davon aus, dass es deshalb bei der Bankenrettung nicht bleibt. Die Zeitung schreibt, es sei "unmöglich, dass sich das Land angesichts hoher Renditen noch nachhaltig refinanzieren kann". Schon zu lange liegen die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen zu hoch. Bei einem Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihen von etwa 515 Basispunkten waren es am Freitag rund 6,4 Prozent. Für die Zeitung ist "die große Frage" nicht, ob ein umfassender Rettungsantrag gestellt wird, sondern nur noch "wann".

Auch andere Medien verweisen darauf, dass sich Ministerpräsident Mariano Rajoy in Schweigen hüllt. Er dementiert nicht und Führungsmitglieder seiner Volkspartei (PP) bereiten die Bevölkerung schon auf einen Antrag vor. Ana Botella, Bürgermeisterin von Madrid, hält es für "unvermeidlich", dass Spanien eine umfassendere "Rettung" angesichts hoher Zinsen und der Rezession beantragen müsse.

Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang August Interventionen am Anleihemarkt von einem neuen Rettungsantrag abhängig gemacht hat, schließt ihn auch Rajoy nicht länger aus. Die EZB wird nur am Sekundärmarkt spanische Anleihen kaufen und damit versuchen, die Zinsen zu senken, wenn das auch der EFSF oder ESM auf Antrag Spaniens tut. Das ist mit weiteren Kontrollen und Auflagen verbunden, die Spanien stets umgehen wollte.

Vorbereitung auf neue Pleiten

Die Frage ist, ob Spanien nur beantragt, dass Staatsanleihen aufgekauft werden, oder ob das Land wie Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm geht. Im ersten Fall ist nicht gesichert, ob die Zinsen nachhaltig gesenkt werden können, denn das ist im Fall der drei Länder nicht gelungen und auch im Fall Spaniens und Italiens verpufften Ankäufe schon weitgehend wirkungslos. Ginge das erneut schief, müsste Spanien diesen Schritt nachholen, wäre länger das Ziel von Spekulationen und die Kosten für den Schuldendienst würden derweil weiter steigen.

Unzweifelhaft ist, dass in Madrid am Freitag mit Vertretern der EU über die Reformen im Bankensystem verhandelt wurde. Die Regierung arbeitet an ihrer dritten Finanzreform in nur sechs Monaten, die nun aber erst am kommenden Freitag vom Kabinett beschlossen werden soll. Denn es gibt unter anderem Streit mit der EU-Kommission darüber, in welcher Höhe die Gläubiger und Aktionäre an den Verlusten beteiligt werden. Bekannt ist, dass viele Sparer in Spanien schlicht betrogen wurden, ihnen wurden "Preferentes" angedreht. Diese Hybridanleihen sind eine Mischung aus Anleihen und Aktien, mit denen sie plötzlich gegen ihren Willen an der Bank beteiligt waren, weshalb schon etliche Urteile zu Gunsten der geschädigten Sparer ergangen sind.

Ausgerechnet die Preferentes sollen besonders hohe Abschläge verkraften. Das würde das ohnehin schwer angeschlagene Vertrauen in die Banken weiter schädigen. Befürchtet wird, dass die Abflüsse von Kapital, die ohnehin schon enorme Ausmaße angenommen haben, weiter anschwellen werden.

Geplant ist, dass der Bankenrettungsfonds (FROB), der für die Regierung die Rettungsmilliarden verwalten wird, und die Zentralbank weitgehende Durchgriffsrechte in die gestützten Banken erhalten. Sie sollen Geschäftsbereiche abstoßen dürfen, die nicht für überlebensfähig gehalten werden, oder die gesamte Bank zerschlagen können, wenn die Sanierungspläne nicht überzeugen. Geschaffen werden soll auch eine "Bad Bank", in die faule Kredite ausgelagert werden. Wie zu erfahren war, bereitet sich Spanien konkret auf neue Pleiten vor, da auch der Einlagensicherungsfonds (FGD) mit Steuermilliarden ausgestattet werden soll. Er ist nach bisherigen Bankenpleiten schon in die roten Zahlen abgerutscht (http://economia.elpais.com/economia/2012/08/23/actualidad/1345749412_996547.html). Der FGD soll Spareinlagen bis 100.000 Euro absichern. Doch angeschlagene Banken haben zunehmend sogar Probleme, die kleinen Beiträge für die Einlagensicherung zu bezahlen, die ohnehin kaum etwas absichern.