Bis zu 3 Jahren Freiheitsentzug für "psychische Gewalt in Paarbeziehungen"

Ein Gesetz in Frankreich erklärt Mobbing in der Ehe und eheähnlichen Beziehungen zur Straftat. Update

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Häusliche Gewalt zählt ein Drittel der vorsätzlichen Gewalttaten in Frankreich; in drei Jahren gab es eine Steigerung der bekannten Fälle um 31 Prozent, 47 000 derartige Fälle notierte das Observatoire national de la délinquance ( OND) im Jahr 2008. 157 Frauen sind 2008 durch Schläge ihrer Lebensgefährten ums Leben gekommen. Das sind, nach Angaben der französischen Staatsekretärin für Familie und Solidarität, Nadine Morano, etwa 20 Prozent aller Totschlagdelikte. Der neue Gesetzentwurf, argumentiert Morano, sei dringend geboten, weil er diese Delikte im Vorfeld verhindern könne. Rund 80 000 Anrufe habe die Notrufnummer, die im Oktober 2007 für Frauen eingerichtet wurde, die Opfer häuslicher Gewalt sind, erhalten. 84% Prozent der Anrufe betrafen "psychische Gewalt".

Der Gesetzentwurf, der ab heute im französischen Parlement debattiert wird, beabsichtigt, die "psychische Gewalt in Paarbeziehungen" als Straftat einzuführen. Premierminister Fillon hatte das im Herbst letzten Jahres als "großes nationales Thema" ausgerufen und gesetzliche Schritte angekündigt. Unter den Unterstützern finden sich nicht nur die Abgeordneten der Regierungspartei UMP, sondern auch die Sozialisten. Der Entwurf, der Strafen bis zu 3 Jahren Gefängnis und Geldstrafen bis zu 75 000 Euro vorsieht, sowie die erzwungene Trennung des Paares und die Intensivierung der Überwachung durch elektronische Fußfesseln für die Täter, hat demnach gute Chancen, das Parlament zu passieren, obwohl es viele umstrittene Punkte gibt.

Am wenigsten umstritten dürfte noch die zugrunde liegende psychiatrische Expertise sein, wonach es, wie Le Monde zitiert, "keine körperliche Gewalt gebe, wenn es nicht zuvor schon psychische Gewalt gegeben hat". Doch die daran anschließenden Fragen, wie man psychische Gewalt vor Gericht beweisen wolle, wie sich psychische Gewalt genau definiert, wie sie sich von Beleidigungen, Demütigungen, verletzenden Verhaltensweisen etc. unterscheidet, die bei Streitigkeiten in der Ehe oder in Partnerschaften geschehen, markiert nur eine der erheblichen Schwierigkeiten der gesetzlichen Verankerung der psychischen Gewalt in intimen Beziehungen (was würden Strinberg, Faßbinder und Bergmann zu einem solchen Gesetz sagen?). Hilfe sucht man hier in der Arbeitswelt, an dort bereits eingeführten Regelungen zum "Mobbing", im Französischen "harcèlement moral". Dessen Definition soll auch für die häusliche psychische Gewalt die zentralen Kategorien liefern:

"Machenschaften oder wiederholte Worte, die zum Ziel haben, die Lebensbedingungen des Opfers herabzusetzen und dessen Rechte wie dessen Würde schädigen oder eine Zerrüttung der psychischen und mentalen Gesundheit herbeiführen."

Kritiker wenden ein, dass sich die Formulierung nicht bewährt habe, sie sei viel zu undeutlich, weswegen es kein Wunder sei, dass es in der Gerichtspraxis nur kaum zu Verurteilungen kam, wie ein Staatsanwalt ausführt. Auch die Sprecherin eines nationalen Frauenzentrums äußert Vorbehalte, wonach sich das neue Delikt als "zweischneidiges Schwert" herausstellen könnte, wenn gewalttätige Männer ihre Handlungen damit rechtfertigen, dass sie Opfer psychischer Gewalt waren.

Update:

Das Gesetz wurde gestern einstimmig angenommen.