Du lässt es besser sein, diese Sequenz zu wiederholen

Außer Kontrolle

Der Bundesgerichtshof bestätigt das "Metall auf Metall"-Urteil und Sabrina Setlur sowie ihre Produzenten haben damit eine Schlappe erlitten.

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Im Jahr 1977 veröffentlichte die deutsche Gruppe Kraftwerk ein Album namens "Trans Europa-Express". Vom Spiegel als Futuristenkitsch verrissen, erhielt das Album größtenteils positive Kritiken. Erstmal benutzten Kraftwerk auf diesem Album einen neuen Typ Sequenzer, der die Verwendung vorher bestimmte Klangmuster, sogenannter Patterns (englisch für Muster) ermöglichte, wie sie besonders beim Titel Metall auf Metall zu hören war, der von einem dieser Patterns dominiert wurde.

Kraftwerk, deren Gründungsmitglieder Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben Tuxedomoon-Sänger Blaine L. Reininger mit den Zeilen "humble guys from Dusseldorf" in seinem Stück Ralf and Florian go Hawaiian bezeichnete, wurden durch die einprägsamen Patterns nicht nur zur Inspiration vieler Gruppen, eben diese Patterns fanden sich auch in vielen Stücken wieder.

Ein bunter Strauß voller Patterns und Co.

Die Webseite "Whosampled", die sich zur Aufgabe gemacht hat, die "DNA der Musik zu erforschen", zeigt 341 Stücke, in denen sich Samples von Kraftwerk wiederfinden. Diese Auflistung zeigt auch die Bandbreite der Gruppen, die sich von den "humble guys from Dusseldorf" inspiriert fühl(t)en. Neben einer Vielzahl von Rap- und HipHop-Gruppen findet sich dort die britische Politpop-Band UB40, deren ursprünglich elektronikfreies Stück "One in Ten" von der mancunischen Gruppe 808 State mittels (nicht nur) Samples von "The Modell" in ein Disco- und Hitparaden- taugliches Stück umgewandelt wurde.

Gerade "One in Ten", das von Arbeitslosigkeit in England, vom Dasein als "statische Nummer" und von der Ignoranz der Welt der "Nichtarbeitslosen" handelte, erfuhr dank der Generalüberholung von 808 State neue Aufmerksamkeit und zeigte auf, wie auch einfache Patterns einen hohen Wiedererkennungswert haben konnten. 808 State, begeisterte Musiker und Besitzer eines Plattenladens in Manchester, schafften es, auch in späteren Zusammenarbeiten mit z.B. Björk von den Sugarcubes, ihre eigene Liebe zur elektronischen Musik mit prägnanten Stimmen zu vereinen, oder aber Stücken wie "Two Tribbes" von Frankie goes to Hollywood neuen Drive zu verleihen (bei "Two Tribes" lässt sich auch das "Metall auf Metall"-Sample ausmachen).

Während sie mit eher tranceartigen Stücken wie Pacific State begonnen hatten, konzentrierte sich 808 State, die sich nach dem Roland Drumcomputer benannt hatten, später auf diskothekengeeignete Stücke mit harten Bässen und quietschenden Soundeffekten, vom New Musical Express wurde ihr Stück Cubic denn auch als "Monster" bezeichnet, eine Einschätzung, die später bei "In yer face" noch einmal wiederholt wurde. Neben ihren eigenen Stücken wurden 808 State jedoch auch begehrte Remixer und spielten während der "Madchester"-Phase eine große Rolle als sie z.B. Interpreten wie den Stone Roses oder New Order unter die Arme griffen.

Der Remix von New Orders Blue Monday sollte später verwandt werden, um mit "Can't get you out of my head" Kylie Minogues zweite Karriere einzuläuten. Kylie Minogue gelang es dadurch, sich von dem Kleinstadtmädchenimage, das sie durch ihre Rolle in "Neighbours" (wo sie an der Seite von Jason Donovan spielte, was von KLF mit dem Titel Kylie said to Jason gewürdigt wurde) und ihrer Musik unter der Ägide von Stock, Aitken und Waterman zementiert hatte. Stock, Aitken und Waterman zeichneten auch verantwortlich für den heute noch durch das "Rickrolling" bekannten Rick Astley und für Disco-Evergreens wie You spin me around von "Dead or Alive" sowie für "One Hit Wonder" wie Sigue Sigue Sputnik.

Der mancunische Rapper Nicholas "Nikki" Lokket, der als MC Tunes kurze Popularität genoss, zeigte sich gegenüber 808 State denn auch hinreichend dankbar als er sie in seinem Stück Tunes split the atom namentlich erwähnte. "Darren, Price, Massey and Barker" bezieht sich dabei auf das spätere Line-Up der Gruppe. Nachdem sich Gerald Simpson auf seine Solokarriere als A Guy called Gerald konzentrierte, traten die "Spinmasters", Andrew Barker und Darren Paddington 808 State bei.

Einmal zu oft gesampelt

Doch zurück zu Kraftwerk. Obgleich sie von vielen Gruppen gesampelt wurden, war ihr Vorgehen gegen Sabrina Setlur eher ungewöhnlich. Ob dies mit einer generellen Antipathie gegenüber Setlur samt ihren Produzenten Moses Pelham und Thomas Hofmann zusammenhängt, ist ungeklärt, fest steht jedoch, dass Kraftwerk sich 2004 gegen die Verwendung des Patterns von "Metall auf Metall" in Sabrina Setlurs Stück Nur mir wandten und dafür die Gerichte anriefen. Sabrina Setlur, die als eher schmückendes Beiwerk namens Schwester S in Stücken des Rödelheim Hartreim Projektes angefangen hatte, versuchte als Sabrina Setlur nicht nur eine Imagekorrektur, sondern änderte auch ihre Musik von eher seicht in hart und aggressiv, versuchte dies in Stücken mit Brixx und Cora E. noch stärker. Ihre Produzenten, Thomas Hofman und Moses Pelham (Moses P.), hatten das Stück "Nur mir" mit dem Sample aus "Metall auf Metall" unterlegt und sahen dies als Zeichen künstlerischer Freiheit an.

"Es kam mir überhaupt nicht in den Sinn, das einzig Vernünftige zu tun, nämlich den Hörer in die Hand zu nehmen und mit den Menschen zu sprechen, ihnen zu erklären, dass ich sie ganz bestimmt nicht bestehlen wollte, sondern, dass das, was ich da mache Kunst ist, und ich übrigens ziemlicher Fan bin. Ich hätte anbieten können, das Sample, von dem ich nicht mal wusste, dass es ihrer Aufnahme entstammte, auszutauschen. Martin hatte das Ding wirklich innerhalb von zwei Minuten nachprogrammiert, aber all das kam für mich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht in Frage. "

zitiert der "Spreeblick" aus Moses Pelhams mittlerweile nicht mehr verfügbarem Blog und verteidigt die Produzenten in seinem Beitrag, lässt jedoch dabei außer Acht, dass Kraftwerk nicht das Verwenden ihrer Patterns per se monierten, sondern im speziellen Fall kritisierten, dass "Nur mir" nicht als eigenständiges Stück zu werten sei, weil es zu stark auf "Metall auf Metall" basiere und es den Musikern auch möglich gewesen wäre, eine zweisekündige Sequenz wie die verwandte selbst einzuspielen. Eine Ansicht, der sich nun der Bundesgerichtshof anschloss.

"Die Beklagten haben - so der BGH - in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger (§ 85 Abs. 1 UrhG) eingegriffen, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels "Metall auf Metall" entnommen und diese dem Stück "Nur mir" unterlegt haben.

Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) berufen. Zwar kann in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tönen oder Klängen einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist.

Eine freie Benutzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings ausgeschlossen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in die unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. Auch aus der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit lässt sich in einem solchen Fall kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen; darauf abzustellen ist, ob es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten nach diesen Maßstäben in der Lage gewesen wären, die aus "Metall auf Metall" entnommene Sequenz selbst einzuspielen. ( Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom 13.12.2012.)

Der Fall, der bereits zum zweiten Mal beim Bundesgerichtshof landete, hat damit für den Mitgründer von DigiProtect, Moses Pelham, kein gutes Ende gefunden.