Mit Druck von oben gegen die "Gewohnheit der Arbeitslosigkeit"

Der britische Arbeitsminister will Arbeitslose zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Vorschlag, den der britische Arbeitsminister Iain Duncan Smith im Lauf der Woche im Detail vorstellen will, gehört zum festen Repertoire der Wohlfahrtsstaatsgegner aller Nationen und erlebt allerorten eine Renaissance. Man darf gespannt sein, wie die Reaktionen in Großbritannien auf Iain Duncan Smith's Idee ausfallen werden: Um Arbeitslose wieder an die Arbeit zu gewöhnen, sollen sie bis zu vier Wochen lang 30 Stunden wöchentlich arbeiten.

Lohn erhalten sie für ihre gemeinnützigen Tätigkeiten - genannt werden "das Kehren von Straßen, Rasen mähen, Müll sammeln oder Aushelfen in Gemeindezentren" - nicht; sie dürfen ihr Arbeitslosengeld weiter beziehen. Weigern sich die Arbeitslosen der "verpflichtenden Arbeitsaktivität" in vollem Ausmaß oder gänzlich nachzukommen, so wird ihnen ihr ohnehin spärliches Arbeitslosengeld für mindestens drei Monate gestrichen. Für unter 25-Jährige beträgt derzeit rund 60 Euro in der Woche; für Ältere bei etwa 74 Euro wöchentlich.

Duncan Smith begründet seinen Vorschlag damit, dass er in einen größeren Plan ("Big society agenda" - siehe dazu Britische Regierung rechnet mit Massenexodus aus den Städten) eingebunden ist, der die Abhängigkeit vom Wohlfahrtsstaat verringern soll. Dazu gehöre auch, dass man "Menschen dazu heranziehe, dass sie ein oder zwei Wochen lang mit ihren Händen arbeiten (...), um ihnen einen Sinn für Arbeit zu geben" - oder sie davon abzuhalten, schwarz zu arbeiten, was Smith ebenso erwähnt. Die Botschaft an die Betroffenen sei klar: Wenn sie nicht mitmachen, wird es schwierig:

"The message will go across; play ball or it's going to be difficult."

Laut Informationen des Guardian will das Arbeitsministerium ( Department for Work and Pensions) private Unternehmen damit beauftragen, die unentlohnten Arbeitseinübungstätigkeiten zu organisieren. Sie sollen mit gemeinnützigen Vereinigungen und Unternehmen zusammenarbeiten. Zitiert werden Kenner der internen Diskussionen mir den Worten, wonach einige Arbeitssuchende einen Extra -Schub ("Push") nötig hätten, um die "richtige Denkweise für die Arbeitswelt" zu erwerben. Ziel sei es, die "Gewohnheit der Arbeitslosigkeit" zu durchbrechen.

In Großbritannien beziehen nach Angaben der Zeitung derzeit rund 1,4 Millionen Menschen Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenkasse ("jobseekers' allowance"). Politisch werden die Vorschläge im Lager der Konservativen, die für weniger Staat eintreten, sicher gut ankommen, ob mit solchen Programmen das größte Problem der Arbeitslosen, nämlich einen Arbeitsplatz zu finden, der den Lebensunterhalt garantiert, ernsthaft angegangen wird, ist zweifelhaft.

Man kopiere einfach die USA, kritisiert der Guardian - mit dazugehörigem Neusprech und Beratern, die dort schon in den 1990er Jahren gegen Dysfunktionen des Wohlfahrtsstaates argumentierten. Ähnliches ist auch in dem lesenswerten Buch "Ill fares the Land" des in diesem Jahr verstorbenen Historikers Tony Judt zu lesen: Großbritannien kopiere die schlimmsten Seiten des amerikanischen Systems, ohne für eine soziale und wirtschaftliche Beweglichkeit zu sorgen, welche die USA zu ihren besten Zeiten ausgezeichnet habe. Man glaube uneingeschränkt an Zauberworte wie "Anreize", "Anstrengung" und "Belohnung" - im Verbund mit Bestrafungen für "Unzulänglichkeiten" - und nähere sich damit viktorianischen Ideologemen an. Fatal sei insbesondere, dass man in Großbritannien in den letzten Jahren vor allem auf den Finanzsektor gesetzt habe, zuungunsten der industriellen Produktion.