Stuttgart 21: Bundesinnenminister genervt von Bürgerprotesten und "begüterten Eltern"

De Maizière kritisiert "Stimmungsdemokratie" und scheint auch wenig vom Schlichter Geißler zu halten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) heizt den Konflikt um Stuttgart 21 und allgemein den Unmut über Schwarz-Gelb an. Im ZDF Morgenmagazin rügte er die "Stimmungsdemokratie", die sich unter den Bürgern breitmacht, und sagte, die "Senkung der Gewaltschwelle bei Demonstranten" mache ihm Sorgen. Und das ausgerechnet in Stuttgart, wo vornehmlich die Polizei wegen hoher Gewaltbereitschaft allgemein kritisiert wurde. De Maizière erklärt dies so, dass dann, wenn Gewalt bei Demonstrationen auftrete, die Polizei eingreifen müsse: "Dann darf aber die Polizei nicht beschimpft werden.

Die Veranstalter müssen nach Ansicht des Bundesinnenministers sicher stellen, dass sich "keiner unter sie mischen kann, um Gewalt zu schüren". Im Hamburger Abendblatt sagte ein anonym bleibender Polizist jedoch, was de Maizière gar nicht gefallen dürfte: "Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann." Dieser Verdacht wurde auch in Stuttgart gehegt. Ein anderer Polizist kritisiert, dass in Stuttgart Spezialkräfte eingesetzt wurden, die hart vorgehen, was aber "ganz oben" genehmigt worden sein müsse ( Wie unpopuläre Politik durchgesetzt wird).

Bei der Demonstration gegen Stuttgart 21, bei der es nach Angaben der Veranstalter um die 400 Verletzte gegeben haben soll, wurde vor allem kritisiert, dass die Polizei mit hoher Gewalt gegen Schüler vorgegangen sei. Der Bundesinnenminister kehrt nun den Schuh um und macht gewissermaßen die Anwesenheit der Schüler zum Hauptproblem. "Wenn Tausende von 13jährigen Schüler von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen kriegen, um zu demonstrieren, dann ist das ein Missbrauch des Demonstrationsrechts", findet de Maizière. Und er fügt hinzu, dass während der Schlichtung Friedenspflicht herrschen müsse und daher eigentlich auch keine Demonstrationen stattfinden dürften.

Und der Bundesinnenminister schätzt auch weder seinen Parteikollegen Geißler noch den Schlichtungsprozess. "Es kann nicht sein, dass die handelnden Politiker irgendwie die Idioten sind und die ehemaligen Politiker die Heiligen sind." Selbstkritik ist offenbar nicht Sache des Ministers, schließlich hat die Bundeskanzlerin auch das Durchboxen von Stuttgart 21 zur Entscheidung über die Regierung hochstilisiert. De Maizière "setzt ein wenig auf die Schlichtung". Das könne aber kein Maßstab für Großverfahren sein. Es gebe umfängliche Planverfahren. Wenn die mit Bürgerbeteiligung etc. durchgeführt worden seien, dann müsse "dies gelten und durchgesetzt werden". Plebiszite schätzt der Innenminister offenbar auch nicht sonderlich. Politik müsse abwägen und Kompromisse schließen – "und dann dazu stehen".