Die Atlantische Krise

Japans Exporte explodieren, Asien koppelt sich von der alten Welt ab

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Während hierzulande und auch jenseits des Atlantiks – von der EU-Peripherie gar nicht zu reden – die Wirtschaft vor sich hin kriecht und nicht so recht aus dem tiefen Konjunkturtal herauskommen will, kommen aus Japan, dem Land, das zwei Jahrzehnte im ökonomischen Tiefschlaf verbrachte, erstaunliche Nachrichten: Im zweiten Monat in Folge sind die Exporte gewachsen, nachdem es zuvor 15 Monate nur bergab ging. Im Dezember gab es ein Plus von 12 Prozent und im Januar gar eines von 40,9 Prozent, beide Angaben im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat.

Besonders die Exporte in die benachbarten asiatischen Länder haben zugelegt, und zwar um zwei Drittel. "Die boomende Nachfrage in Asien unterstützt weiter die Erholung der japanischen Exporte", zitiert Business Week den japanischen Ökonomen Hideki Matsumura. Die Zeitung weist allerdings auch darauf hin, dass die Erholung immer noch auf wackeligen Füßen steht. Schwache Inlandsnachfrage, Deflationstendenzen und ein starker Yen bedrohten sie. Dass die Warnungen nicht unbegründet sind, zeigte die Entwicklung an der Tokyoter Börse am Donnerstag, wo die Kurse trotz der guten Nachrichten absackten. Insbesondere die Titel von Exporteuren verloren, weil die Börsianer durch einen hohen Yen-Kurs verunsichert waren.

Interessant an der Entwicklung ist jedoch, dass Asien sich zunehmend von Europa und Nordamerika abzukoppeln zu scheint. Nicht dass Beziehungen abgebrochen oder vernachlässigt würden, aber der innerasiatische Handel hat für viele Länder inzwischen eine größere Bedeutung als der Warenaustausch mit den alten Zentren der Weltwirtschaft. Das war vor zehn Jahren noch ganz anders.

China ist zum Beispiel 2009 zum wichtigsten Handelspartner Japans aufgestiegen. Im Januar wuchsen die Ausfuhren aus dem Land der aufgehenden Sonne in die Volksrepublik um rund 80 Prozent auf 920 Milliarden Yen (76,3 Milliarden Euro)*. Insgesamt exportierte Nippon nach Asien für 2,7 Billionen Yen und in den Rest der Welt für 2,2 Billionen Yen. Die USA nahmen im Januar Waren im Wert von 710,4 Milliarden Yen (plus 24,2 Prozent) und die EU von 580 Milliarden Yen (plus 11,1 Prozent) auf.

Vielleicht wird man in 20 Jahren ja einmal die Zeit gegen Ende des ersten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends nicht mehr eine Finanzkrise, sondern die Große Atlantische Krise nennen, weil sie den Anfang vom Ende des atlantischen Zeitalters markierte.

* Korrektur:

Wie ein Leser richtig anmerkt, ist hier das Komma verrutscht. 920 Milliarden Yen entspricht derzeit 7,63 Milliarden Euro.