Auwei: Lachen wirkt wie Sport

Wissenschaftler sind süchtig nach Vermarktung scheinbar wissenschaftlicher Ergebnisse, die Medien spielen völlig unkritisch mit

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Schon der deutsche Philosoph Kant fand Lachen wichtig, weil es heilsam sei. Das dachte er noch ganz gemäß der Zeit ziemlich mechanisch. Das stoßweise Ausatmen der Luft massiert gewissermaßen die anderen Organe und löst überhaupt die Anspannung, in dem es "von einem Hindernis der Lebenskraft durch Ergießungen" befreit.

Nicht so ganz anders sagen nun Wissenschaftler, dass Lachen heilsam sei und wiederholtes Lachen in etwa so der Gesundheit dient wie wiederholte körperliche Betätigung. Die Wissenschaftler von der Loma Linda University – einer christlichen Adventistenuniversität – wollen herausgefunden haben, dass Lachen nicht nur entstresst, den Hormonhaushalt in Ordnung bringt, das Immunsystem aktiviert, den Cholesterinspiegel und den Blutdruck senkt. Auch schön, dass sie eine Lachtherapie entwickelt haben, die sie

Laughercise

nennen und den Namen schon gleich einmal schön christlich mit Markenschutz belegt haben. Allerdings muss das Lachen schon fröhlich oder heiter sein.

Grundlage ihrer Behauptung ist ein Versuch mit gerade einmal 14 gesunden Versuchspersonen über eine Periode von drei Wochen. Den Versuchspersonen wurden jeweils 20 Minuten lange zufällig entspannende und lustige Episoden, die sie sich selber aussuchen konnten, oder ein stressender Ausschnitt aus Saving Private Ryan gezeigt. Danach wurde eine Woche gewartet, bis den Versuchspersonen das jeweils entgegen gesetzte Video vorgeführt wurde. Vor und nach dem Video wurden Blutproben genommen, um die Hormonstatus des appetithemmenden Leptin und des appetitanregenden Ghrelin zu untersuchen. Zudem wurde wiederholt der Blutdruck gemessen. Man sieht schon, eine sehr solide und aussagekräftige Studie.

Das Ergebnis: Beim Anschauen des Stressfilms verändern sich die Appetithormone nicht, beim lustigen Video soll der Leptin-Wert gesunken und der Ghrelin-Wert gestiegen sein, was dem Ergebnis körperlicher Betätigung gleiche, die ja schließlich auch mit einem steigenden Appetit verbunden sei. Aber das zeige nicht, so die Wissenschaftler, dass Lachen - haben die Videozuschauer überhaupt gelacht? - den Appetit steigert, sondern dass eben wiederholtes Lachen ähnlich wirkt wie wiederholte körperliche Betätigung. Der Sinn dieses Vergleich ist, dass diejenigen, die keinen Sport mehr treiben können, lachen könnten, um ihren Appetit zu normalisieren und so beispielsweise ihre Depression zu überwinden. In Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen macht man dann halt zugunsten der Wissenschaftler Laughercises, indem man ein entsprechendes Video laufen lässt.

Es ist doch immer schön zu sehen, wie Wissenschaft funktioniert. So einfach war es wohl noch selten, seine dürftigen Ergebnisse an den Mann bzw. an die Medien zu bringen. Ganz ernsthaft und völlig ungebrochen werden dann die Mitteilungen der Wissenschaftler, die sich gewinnbringend vermarkten wollen, auch von Wissenschaftsjournalen wie Spektrum Online, wo man es anders erwarten würde, weiter gereicht: "Lachen steuert Appetithormone". Bei Netdoktor.de heißt es: Positive Nebenwirkung: Lachen wirkt wie Sport. Auch andere Medien gefallen sich im Reproduzieren oder Übersetzen ( Lachen als Therapie gegen Appetitlosigkeit). Das betrifft natürlich nicht nur deutschen Medien, auch der Guardian (Laughter may boost appetite), BusinessWeek (Laughter Can Stimulate a Dull Appetite) oder der Telegraph (Laughter really is the best medicine as doctors find it can be as healthy as exercise) spielen mit.