Deutsche intoleranter gegenüber nicht-christlichen Religionen

Im Vergleich mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Portugal äußern sich Deutsche insbesondere gegenüber Muslimen deutlich negativer, obwohl sie zugleich über weniger Kontakt mit ihnen berichten

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Mehr Kontakt mit Muslimen und eine ehrlichere und intensive öffentliche Debatte über Islam und Integration - beides könnte die Toleranz der Deutschen gegenüber Muslimen und ihrer Religion fördern. Das lässt sich aus einer großen, fünf europäische Länder vergleichenden Studie herauslesen. Deren zentrales Ergebnis lautet nämlich, dass die Deutschen viel intoleranter nicht nur dem Islam, sondern auch anderen nicht-christlichen Religionen gegenüber sind als Franzosen, Niederländer, Dänen oder Portugiesen.

Die Deutschen hätten ein deutlich kritischeres Bild von Muslimen, Buddhisten, Juden und Hinduisten als die Bevölkerung anderer Länder. Sie seien auch weniger bereit, anderen Religionen gleiche Rechte zuzugestehen, so das Fazit des Religionssoziologen Detlev Pollack von der Universität Münster, von deren Exzellenzcluster "Religion und Politik" die Befragung durchgeführt wurde: "Von Hindus, Buddhisten und Juden haben sie ein schlechteres Bild als die übrigen Europäer."

Gegenüber diesen Religionsgruppen zeigen sich die Deutschen zwar aufgeschlossener als gegenüber den Muslimen, mehrheitlich positiv, wie die Studie notiert. Doch fallen die zum Teil großen Unterscheide im Vergleich zu Dänemark, Frankreich und den Niederlanden auf, die 15 bis 20 Prozentpunkte betragen würden. Die geringere Offenheit und kritische Distanz gegenüber nicht-christlichen Religionen sticht besonders gegenüber Muslimen heraus. Zwar würde in allen Ländern die Haltung gegenüber Muslimen negativer ausfallen, aber in Deutschland "noch deutlich kritischer":

"Die Unterschiede zwischen Deutschland und den anderen Ländern sind geradezu dramatisch, wenn es um die persönliche Haltung gegenüber Muslimen geht." Detlev Pollack

Denken Niederländer mehrheitlich (62 Prozent), ebenso wie Franzosen (56 Prozent) und Dänen (55%) positiv über Muslime, so tun das Deutschland nur 34 Prozent im Westen und 26 Prozent im Osten. Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als man mit den Niederlanden, Frankreich und Dänemark Länder zum Vergelich genommen hat, in denen intensive, konfliktreiche Debatten (Stichworte: Mord von Theo van Gogh; Karikaturenstreit; Diskussionen über Einwanderer in Frankreich) über muslimische Einwanderer geführt werden und dort sehr viel mehr Befragte angeben, dass sie Kontakt zu Muslimen haben. Dass mehr Kontakte zu einer anderen Einschätzung führen, gaben auch Deutsche an: Etwa drei Viertel der Westdeutschen und zwei Drittel der Ostdeutschen berichten demnach, dass sie Begegnungen mit Muslimen als angenehm empfunden hätten.

Das Problem sei eben, "dass die Kontakte in Deutschland viel seltener sind als in den anderen Ländern", so Pollack. Kein Faktor sei so bestimmend wie die Kontakthäufigkeit. Zwar spielten die Konkurrenz um Arbeitsplätze oder der Neid gegenüber Ausländern eine geringe Rolle, aber eine Regressionsanalyse der Umfrageergebnisse habe deutlich gemacht, "dass die wichtigste Einflussvariable für die Haltung gegenüber dem Islam der Kontakt zu Angehörigen dieser Religion ist".

Dies steht im Kontrast zum allgemeinen Bild des Islams, das man sich in den untersuchten Ländern, macht. Dies falle nämlich überall "erstaunlich ähnlich und erstaunlich negativ" aus.

"Gefragt danach, mit welchen Eigenschaften sie den Islam verbinden, sagen in allen Ländern etwa 80 Prozent, dass sie beim Stichwort Islam an die Benachteiligung der Frau denken. Etwa 70 Prozent assoziieren Fanatismus mit dem Islam, etwa 60 Prozent Gewaltbereitschaft, etwas mehr als 50 Prozent Engstirnigkeit. Hier sind sich die Westeuropäer weitgehend einig. Die Ausnahme ist Frankreich, wo das Bild vom Islam zwar ebenfalls überwiegend durch negative Assoziationen bestimmt ist, die Kritik aber deutlich gemäßigter ausfällt."

Die "beunruhigenden Länderdifferenzen" erklären die Studienautoren auch damit, dass es in Ländern wie Frankreich, Dänemark oder Holland - im Zuge beispielsweise des Mordes an Theo van Gogh oder den Gewaltsamkeiten in den Banlieues - zu sichtbaren Konflikten gekommen ist, die unweigerlich zu einer intensiven öffentlichen Auseinandersetzung geführt haben

"Möglicherweise hängt dies unter anderem damit zusammen, dass in Deutschland, eben weil es weniger sichtbar gewordene Konflikte gibt, auch die öffentliche Debatte darüber noch nicht so intensiv und lange geführt worden ist wie in den anderen westeuropäischen Ländern. Wenn dies richtig sein sollte, dann käme es in Zukunft darauf an, noch stärker durch Bildungsarbeit, öffentliche Aufklärung und den vorurteilsfrei geführten Dialog auf die Einstellungen in der Bevölkerung einzuwirken."