Dann hau doch zurück und das Thema ist durch

Außer Kontrolle

Gewalt in Beziehungen ist nicht auf Männer als Täter und Frauen als Opfer beschränkt, doch der Mann als Opfer hat weiterhin mit Vorurteilen, Spott und Ignoranz zu rechnen.

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In (fast) jedem Jahr wird darauf hingewiesen, dass häusliche Gewalt nicht nur von Männern ausgeht, doch die Art und Weise, wie auf Männer als Opfer reagiert wird, hat sich seitdem wenig geändert, es herrschen Spott und Häme vor, das Opfer wird eher als Witzfigur angesehen denn als Opfer, das Verständnis, Mitleid und vor allen Dingen Hilfe benötigt.

Seit einigen Jahren wird das Thema des Mannes, der Gewalt innerhalb seiner Beziehung ausgesetzt ist, auch ab und an medial aufbereitet – jüngstes Beispiel hierfür ist ein Artikel bei Spiegel Online. Doch der Artikel zeigt auch, dass sich letztendlich seit Jahren nicht viel an der Situation für Männer ändert – es gibt weder Studien, noch von Seiten der Politik beispielsweise ein Engagement, um sich auch diesem Opfertypus zu widmen. Am Beispiel des Jochen K. wird im besagten Spiegel-Online-Artikel klar, dass die traditionelle Einordnung von Opfer und Täter noch immer überwiegt und die Reaktionen der Umwelt gerade ob dieser Einordnungen letztendlich schlichtweg als menschenverachtend anzusehen sind. Während beispielsweise die Polizei sich schwer damit tut, einen Mann (insbesondere wenn er nicht dem Typus "Spargeltarzan" entspricht) als Opfer von häuslicher Gewalt anzuerkennen, sehen Politiker das Thema als Orchideenthema an und verweigern sich ihm. Verwandte nehmen die Situation wahlweise als Witz oder als Verdrehung der Tatsachen hin. So wird oft angenommen, der Mann müsse ja die Situation herausgefordert oder als Erster gar Gewalt ausgeübt haben, dass die Frau zuerst Gewalt anwendet, wird als unglaublich im wahrsten Sinne des Wortes eingeschätzt.

Noch im Jahr 2009 antwortete die damalige Familienministerin Christine Bergmann (wobei die Gesamtbezeichnung des Ministeriums zwar Kinder und Frauen explizit neben der Familie erwähnt, Männer jedoch auslässt), dass es keine Notwendigkeit z.B. für Männerhäuser gäbe, und Männer, die Zuflucht suchten, letztendlich selbst schuld wären. "Wenn Männer keine Gewalt anwenden, brauchen sie auch keine Zufluchtsorte", wird sie in der zitiert.

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was ein solcher Kommentar, würde er sich auf Frauen beziehen, auslösen würde, sieht er doch Opfer, die Zuflucht suchen, als Täter an, als Menschen, die sich, hätten sie sich anders verhalten, nicht in dieser Situation wären. Das erinnert an die Zeiten, in denen Frauen, die geschlagen wurden, genauso wie auch Mobbingopfer, stets mit der Frage: "Und wie hast Du es provoziert?" konfrontiert wurden, als sei Gewalt eine adäquate Antwort auf eine Provokation bzw. als gäbe es keine Gewalt, die quasi aus dem Nichts passiert. Staatliche Unterstützung für Männerhäuser, Männerberatungsstellen und ähnliches ist derzeit, zynisch ausgedrückt, schwerer zu bekommen als eine Unterstützung für heimatlose, dreibeinige Katzen.

Es zeugt letztendlich auch von fehlender Solidarität innerhalb der Gesellschaft, wenn sich Opfer von Gewalt innerhalb Beziehungen nicht gemeinsam dafür einsetzen, dass sich insgesamt etwas ändert. Zwar kann man sich letztendlich darauf beziehen, dass auch die Frauen lange Zeit erst Selbsthilfegruppen gründen und sich verlachen lassen mussten und es ein weiter Weg für sie war, doch wäre es eben aus diesem Grund nur logisch, wenn jene, die diesen Weg kennen und wissen, wie es sich anfühlt, Opfer zu sein, um Opfer kümmern bzw. diesen helfen, egal welchem Geschlecht diese angehören. So wie es gilt, bei Frauen auf Warnsignale zu achten, so wäre dies auch bei Männern ratsam – um Opfern jederlei Geschlechtes zu helfen und zu akzeptieren, dass Gewalt, egal wie statistisch manches verteilt sein mag, nicht nur auf ein Geschlecht bezogen ist und jedes Opfer Hilfe benötigt.