Nukleare Luftschlösser

Die Liste der Länder, die gerne AKWs bauen würden, wird immer länger

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Es hat schon etwas Gespenstisches. Während die Probleme der Atomwirtschaft (keine ausreichenden Endlager vorhanden, Probleme bei der Entwicklung neuer Reaktorlinien, Begrenztheit des Brennstoffs) immer offensichtlicher werden, wächst der Club derjenigen, die unbedingt dabei sein wollen. Neueste Zugänge sind Senegal, Venezuela, die Türkei, die baltischen Staaten und Bill Gates, während eine entsprechende Meldung über Google wohl eher ein etwas verfrühter April-Scherz war.

Bei vielen der Kandidaten, wie zum Beispiel auch Uganda und Kenia, darf man wohl getrost davon ausgehen, dass sie weder über die notwendige Infrastruktur noch über das Kapital verfügen. Allerdings ist zu befürchten, dass die nuklearen Pläne auch dort, je ernsthafter sie verfolgt werden, erstens die Entwicklung sinnvollerer Alternativen aufhalten werden und unter Umständen auch zu erheblicher Verschwendung von Geldern führen, die an anderer Stelle nötig gebraucht würden.

Erstaunlich ist die ganze Geschichte unter anderem auch angesichts der geringen Verfügbarkeit von Uran. Seit Anfang der 1990er Jahre übersteigt der Verbrauch die Förderung. Möglich ist das, weil zum einen große Lagerbestände abgebaut und zum anderen alte Nuklearsprengköpfe verschrottet werden. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schreibt in ihrem jüngsten Rohstoff-Jahrbuch (Rohstoffsituation 2008, Heft XXXVIII, erschienen im Oktober 2009), dass weltweit 2008 der Abbau von Uran 69 Prozent des Bedarfs deckte, was rund fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr gewesen seien. Der Rest stammt aus Lagern und - ein rundes Sechstel - aus der Umwandlung russischen Waffenurans. Die entsprechenden Verträge, in denen auch die deutsche RWE Nukem involviert ist, laufen 2013 aus. Fragt sich, was danach kommt.

Es gibt verschiedene Anstrengungen, den Abbau von Uran auszuweiten, doch die Erschließung neuer Minen ist offensichtlich eine langwierige Angelegenheit. Außerdem steigt der Aufwand, weil wie bei allen Rohstoffen zuerst die am einfachsten zugänglichen und am höchsten konzentrierten Lagerstätten ausgebeutet wurden. Das könnte auch einer der Gründe dafür sein, dass der Uranpreis in den letzten Jahren erheblich angezogen hat. Im November 2007 erreichte er kurzfristig im Zuge des seinerzeitigen allgemeinen Rohstoffsbooms ein Allzeithoch, von dem er jedoch schnell wieder herunter purzelte. Im Dezember 2009 war das Kilo Uran mit etwa 120 US-Dollar um mehr als die Hälfte billiger als der kurzfristige historische Höchstwert, aber noch immer drei bis viermal so teuer wie zu Beginn des Preisanstiegs 2004.. Auf diesem ungefähren Niveau bewegt sich der Preis bereits seit Beginn der jüngsten Wirtschaftskrise.

Kann gut sein, dass er sich in den nächsten Jahrzehnten noch in ganz andere Höhen schwingen wird, denn das giftige Schwermetall ist ein knappes Gut: Laut BGR, einer amtlichen Institution, die in der Vergangenheit nicht gerade durch Panikmache auffiel, wird das Uran beim jetzigen Bedarf noch 62 Jahre reichen, vorausgesetzt die Förderung muss auch weiter nur 65 Prozent des Verbrauchs decken. Wenn er vollständig gedeckt werden müsste, wären es nur noch 40 Jahre. Viele der atomaren Pläne werden sich also in den nächsten Jahren wohl entweder als Luftschlösser oder als teure Investitionsruinen erweisen, vielleicht auch als beides.