Bürgeranteilsscheine für den Stromtrassenausbau

Die schleswig-holsteinische Landesregierung und der Netzbetreiber Tennet haben ein Finanzierungsmodell ausgetüftelt, das den Bau einer 380-kV-Höchstspannungsleitung um Jahre beschleunigen soll

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Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 1.008 neue Windkraftanlagen ans Netz angeschlossen, 20 Prozent mehr als noch 2011. Der Bau von Offshore-Anlagen geht dagegen nur langsam voran. Von den angekündigten 350 Anlagen mit 1.700 MW Leistung sind 2012 nur 16 in Betrieb gegangen. Damit drehen sich in Nord- und Ostsee jetzt insgesamt 68 Windräder. Als Grund für den zögerlichen Baufortschritt werden fehlende Stromleitungen genannt, die den erzeugten Windstrom in die dichter besiedelten Regionen im Süden transportieren sollen.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung und der Netzbetreiber Tennet haben jetzt ein Finanzierungsmodell ausgetüftelt, das zum Multitool des Stromtrassenbaus werden soll. Abgeschaut haben sie sich das Konzept bei den sogenannten Bürgersolar und -windparks. So sollen jetzt auch an die von der Stromtrasse betroffenen Bewohner ab Sommer 2013 über die örtlichen Banken und Sparkassen Bürgerbeteiligungen verkauft werden. Insgesamt will Netzbetreiber Tennet damit 40 Mio. Euro einnehmen, 15 Prozent der Gesamtkosten des Projekts. Die Einlagen sollen mit rund fünf Prozent verzinst werden.

Neben einem Teil der Kosten sollen so vor allem auch erwartete Widerstände der Anwohner gegen das Bauvorhaben verringert werden, vielleicht sogar eine positive Einstellung zu dem Infrastrukturprojekt entstehen und das Genehmigungsverfahren so um Jahre beschleunigt werden. Denn bei einem Ausgabepreis von 1.000 Euro wären bis zu 40.000 Anwohner Miteigentümer und hätten ein Interesse am Funktionieren der Trasse. Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung drängt auf Eile. Das Planungs- und Genehmigungsverfahren für die neue 150 km lange Trasse vom nordfriesischen Niebüll zum Anschlusspunkt Brunsbüttel soll durch die Bürgerbeteiligung schon 2017, also drei Jahre früher als ursprünglich geplant, abgeschlossen sein, so dass die 380 kV-Leitung dann schon ab 2018 Strom transportieren kann.

Für Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig ist das auch ein Prestigeprojekt, die Trasse sei "von zentraler Bedeutung auf unserem Weg zum Windland Nummer eins". Pikant beim geplanten Stromleitungsverlauf ist, dass er entlang dem Nationalpark schleswig-holsteinisches Wattenmeer verläuft, eigentlich einer Schutzzone die seit 1985 nicht nur Nationalpark, sondern außerdem Weltnaturerbe und Biosphärenreservat der UNESCO ist. Denn eins ist klar, auch wenn der Zubau auf See weiter nur zäh vorangeht, wird die neue Höchstspannungsleitung auch zu vielen neuen Onshore-Windparks entlang der Wattküste führen.