Über 90 Prozent der Afghanen haben noch nichts von den Anschlägen vom 11.9. gehört

Eine neue Umfrage in Afghanistan zeichnet ein düsteres Bild

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Wir müssen am Hindukusch Deutschland, Europa oder die westliche Welt verteidigen. Anlass waren die Terrorangriffe mit zu Bomben durch Selbstmordattentäter umfunktionierten Passagierflugzeugen vom 11.9. 2001.

Weil die Angriffe von Afghanistan unter dem Taliban-Regime als einem sicheren Hafen für al-Qaida-Terroristen ausgegangen waren, wurde das Regime gestürzt und sollte ein demokratisches, zumindest irgendwie dem Westen freundlicher gesinntes Afghanistan aufgebaut werden, um künftig ähnliche Attacken zu verhindern. Man schickte Truppen, steckte viel Geld in die militärische Besetzung des Landes, schon viel weniger in den zivilen Wieeraufbau, installierte wenig demokratisch einen Präsidenten und deckt manipulierte Wahlen. Weil nach fast 10 Jahren die Geduld ausgeht, werden sich die Isaf-Staaten zurückziehen und den Hindukusch wahrscheinlich ebenso stabil wie den Irak hinter sich lassen.

Allerdings wissen die meisten Afghanen auch nicht, warum die ausländischen Truppen überhaupt in ihrem Land sind, stellt nun eine Umfrage des International Council on Security and Development (ICOS) fest. Von den 9/11-Anschlägen haben 92 Prozent der Afghanen nichts gehört. Das ist sicherlich nicht repräsentativ, denn für die Umfrage in dem von den Isaf-Ländern besetzten Land wurden bezeichnenderweise nur Männer vor allem in den besonders stark von den Taliban beherrschten Provinzen Helmand und Kandahar (Paschtunen) befragt, aber auch in den verhältnismäßig ruhigen Provinzen Pandschir und Parwan im Norden des Landes, wo Tadschiken leben.

Trotzdem gibt es offenbar eine gewaltige Kluft zwischen den ausländischen Truppen und der heimischen Bevölkerung, die jene vor allem als Besetzer wahrnehmen, weil sie nichts über sie wissen. Zwei Drittel gehen davon aus, dass die Isaf-Truppen mehr Zivilisten als Taliban töten. 40 Prozent gehen davon aus, dass die ausländischen Truppen Afghanistan zerstören, den Islam vernichten oder das Land nur besetzen wollen. 72 Prozent glauben, dass die ausländischen Soldaten ihre Kultur und Religion nicht achten. Überdies gehen viele davon aus, dass die die Regierungskräfte mit den Aufständischen zusammenarbeiten. Immerhin spricht sich eine überwältigende Mehrheit für die Demokratie aus – theoretisch. 43 Prozent konnten nämlich keinen Nutzen der Demokratie nennen, und 60 Prozent sind sowieso der Meinung, dass die Regierung keine Chance hat, wenn die ausländischen Truppen abziehen. Daher dürfte schon fast egal sein, ob sie jetzt oder 2014 abziehen. Für alle Beteiligten geht es nur noch ums Abwarten.