Peerblog ist politologisch aufschlussreich

Wie Politik und Geschäft sich vernetzen

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Was die private Werbeagentur steinkuehler-com.de als mediale Fördermaßnahme für den Kanzlerkandidaten der SPD derzeit ins Netz bringt, ist alles andere als eine professionelle Glanzleistung. Das Eigenlob, immerhin habe man doch zahllose Reaktionen erzeugt, wenn auch durchweg kritische, klingt nach Pfeifen im düsteren Walde. Dennoch verdient dieses Projekt Aufmerksamkeit als Musterfall operativer Verschränkung von politischen Karrieren und persönlichen wirtschaftlichen Interessen.

Auf der Makroebene: "Herausragende Unternehmerpersönlichkeiten" nehmen die Firma des Karl-Heinz Steinkühler in Dienst für den Versuch, einen - wie auch immer - herausragenden Politiker ins Amt des Bundeskanzlers zu bringen. Nicht für die Partei, die Steinbrück zu ihrem Spitzenmann bei der Wahl gemacht hat, wollen sie werben, sondern nur für den Kandidaten persönlich.

Das bundesrepublikanische Politiksystem wird so unter der Hand umdefiniert, virtuell jedenfalls; das Publikum soll glauben, es habe sich im September nicht für diese oder jene Partei und deren Kandidatinnen oder Kandidaten zu entscheiden, sondern für eine Person, die dann kanzlernd die deutsche Politik bestimmt. Höchst zweifelhaft ist, ob die damit nahegelegte Sichtweise der Bundestagswahl taktisch vorteilhaft für Steinbrück ist, denn Angela Merkel genießt ja persönliche Sympathie selbst bei großen Teilen der SPD-Anhängerschaft. Längerfristig jedoch ist es interessant, wie hier eine Art Verfassungsreform ideell vorbereitet wird.

Der Steinkühler-Webauftritt, trotz seiner offensichtlichen Schwierigkeiten im sprachlichen Ausdruck, lässt deutlich erkennen, welchen gesellschaftspolitischen Inhalt diese Hinwendung zur "Persönlichkeitswahl" hat: Steinbrück erscheint dort als Politiker, der sich, wenn er erst regiere, um Wahlprogramme und ähnliches Gedöns seiner Partei nicht kümmern, sondern für das Wohl der deutschen Unternehmen sorgen werde.

Im Erfolgsfall wäre also das Geld der angeblich 5 Unternehmersponsoren, die für peerblog.de eine fünfstellige Summe spendiert haben sollen, gut angelegt, und bei einem Misserfolg sind diese, solange ihre Anonymität bewahrt bleibt, wenigstens nicht blamiert. Die "peerblog"-Methode zeigt zugleich, wie sich der Sinn von Vorschriften über Spenden an Parteien außer Kraft setzen lässt. Allerdings will der Bundestag nun prüfen, ob es sich um eine verdeckte Parteienfinanzierung handelt.

Die Vorteile der Vernetzung

Und auf der Mikroebene: Die Steinkühler-Agentur sagt über sich selbst, sie stütze sich "auf ein umfassendes Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Medien" und sei deshalb in der Lage, "Unternehmern und Politikern in Notlagen zu helfen", sie "durch Krisen" und aus diesen "hinauszuführen". Nun befinden sich im politischen Markt wie auch in der Marktwirtschaft unternehmerische Persönlichkeiten ja permanent in krisenhaften Zuständen, in Notlagen sozusagen; das eherne Gesetz der stetigen Konkurrenz will es so.

Vernetzung aber, in und zwischen Politik, Wirtschaft und Medien, bringt Vorteile im Wettbewerb um Führungspositionen und Renditen. Steinkühler mit seinen Tätigkeiten gibt ein anregendes praktisches Beispiel dafür. Schon als "Focus"-Journalist in Düsseldorf nahm er sich der Personalpolitik im Lande NRW an. Nachgesagt wird ihm, dass er unter dem Pseudonym "Theobald Tiger" auf der Webseite "Wir in NRW" zum Untergang der CDU-Regierung beigetragen habe, als Enthüllungskünstler. Dann kam die rot-grüne Landesregierung in NRW, und Steinkühler, inzwischen selbständig als Betreiber einer Agentur, bekam lukrative Aufträge aus dem Ministerium von Ute Schäfer (SPD). Die wiederum ist befreundet mit dem Sozialdemokraten Axel Horstmann und der ist befreundet mit Steinkühler. Horstmann wirkt jetzt als erster "Gastautor" bei "peerblog" mit.

Ganz früher war er Mitherausgeber der "Herforder Thesen", die sich als "marxistisch" verstanden und die SPD nach links locken wollten. Dann sammelte Horstmann Funktionen in der Partei und der öffentlichen Verwaltung an und wurde NRW-Minister unter Steinbrück. Im Laufe der Zeit hatte er eine starke Sympathie für die Marktwirtschaft entwickelt, und so fiel es ihm nicht schwer, von der Politik (für Energie war er u.a. zuständig) zu einem Privatunternehmen überzuwechseln, er wurde Konzernbevollmächtigter von EnBW für das nordrheinwestfälische Terrain.

Zu dieser Zeit vermittelte Steinkühler einträgliche Vorträge an Steinbrück, der nun als schlichter Bundestagsabgeordneter nicht voll beschäftigt war. An solchen Zusammenhängen zeigt sich im Detail der Nutzen von Public-Private-Vernetzung, als einer noch zu wenig beobachteten und erforschten Form nicht eingetragener Partnerschaft. Und so hat "peerblog", was immer sonst daraus wird, seine Bedeutung als lebendes Lehrmaterial für das Fach Postdemokratie.